Indische Naechte
anzusprechen.« Ihre Finger wanden sich umeinander. »Nachdem man uns mitteilte, daß Ian tot sei, wollte ich David den Ring geben, aber er meinte, Ian hätte gewollt, daß ich ihn behalte. Also tat ich es. Nun hat die Tatsache, daß Ian lebt, alles verändert. Ich muß den Ring zurückgeben.«
Betäubt starrte Laura auf das Schmuckstück, ein großer Diamant, von winzigen Steinen umgeben. Sie hob den Blick zu Georgina. Ian hatte also dieses goldene Wesen heiraten wollen, das aus seiner Welt kam, schöner und reizender war, als Laura es je sein konnte, und sogar noch das Ehrgefühl besaß, um etwas zu tun, was ihm schwerfallen mußte.
Laura hätte es vorgezogen, Georgina zu hassen, aber sie konnte nicht. Mit knappen Worten hatte die junge Frau eine Verlobung, Ians vermeintlichen Tod, eine Ehe und den furchtbaren Schock Umrissen, den sie erlitten haben mußte, als er aus dem Grab zurückgekehrt war. Es war nicht gerade überraschend, daß Georgina durcheinander war.
Und offensichtlich setzte sie voraus, daß Laura über die aufgelöste Verlobung Bescheid wußte. Laura hätte sich lieber die Zunge abgebissen, als ihre Unkenntnis zuzugeben. Bemüht, ihre Stimme neutral zu halten, sagte sie also: »Das ist sehr großzügig von Ihnen, Mrs. Phelps, aber wollen Sie den Ring nicht doch behalten? Unter diesen ungewöhnlichen Umständen, wird Ian bestimmt nicht erwarten, daß Sie ihn zurückgeben.«
»Oh, nein, das kann ich doch nicht. Mein Mann...«, Georgina schluckte hart.
»Ians Rückkehr muß Sie ziemlich aufgewühlt haben«, sagte Laura mitfühlend. Sie warf einen Blick auf Georginas Mitte. »Ich hoffe nur, Ihre Gesundheit ist dadurch nicht beeinträchtigt worden?«
Georgina legte eine Hand auf ihren Bauch. »Oh, mein Gesundheitszustand ist gut, zumindest normal für eine Frau in dieser Situation. Das einzige Problem ist... der Schock... Seit Ian wieder zurück ist, haben wir nicht... mein Mann will nicht... Ich weiß nicht, wie...« Sie brach endgültig ab, errötete und blickte zur Seite.
Ja, Ians Rückkehr hatte wahrhaftig Probleme verursacht. Wieder empfand Laura widerstrebend Mitleid mit dem Mädchen. Und sie sehnte sich danach, Ian zu ermorden. Langsam.
Ein Teil von ihr wünschte sich, den Ring aus dem nächsten Fenster zu werfen, aber dazu war er zu wertvoll, also umschloß sie den Ring unwillig mit einer Hand. »Ich bin sicher, alles wird sich mit der Zeit wieder geben, Mrs. Phelps«, sagte sie freundlich. In diesem Augenblick betraten mehrere Frauen die Lounge — zum Glück, denn Laura hätte nicht gewußt, was sie noch hätte sagen sollen. Sie stand auf und verabschiedete sich höflich von Georgina, deren Farbe nun wieder etwas gesünder aussah.
Doch Georginas Seelenfrieden ging zu Lasten Lauras. Als sie zum Ballsaal zurückging, fragte sie sich in brodelndem Zorn, welche Überraschungen ihr Mann noch für sie bereithielt.
Ein helläugiger junger Offizier sprach Ian an. »Sir, glauben Sie, wir werden bald Truppen nach Zentralasien schicken? Wir müssen Buchara und die anderen Khanate sichern, bevor es die Russen tun.«
Ian seufzte. Noch ein hitzköpfiger Vertreter der »Vorwärts«-Politik, die predigte, daß kontinuierliche Ausdehnung nötig war, um die bestehenden britischen Gebiete zu schützen. »Ich habe keine Ahnung, was die Regierung demnächst vorhat, aber da ich in Zentralasien war, kann ich bezeugen, daß die Berge und Wüsten es praktisch unmöglich machen, die Khanate zu erobern. Die Russen haben verschiedene Expeditionen unter besseren Voraussetzungen unternommen, als wir sie schaffen könnten, und jedesmal endete es für sie in einer Katastrophe.«
»Aber da nun Afghanistan unter unserer Kontrolle ist«, fuhr der junge Mann respektvoll, aber unbeirrt fort, »besitzen wir doch einen perfekten Ausgangspunkt, um weiter nach Asien vorzudringen.«
»Afghanistan ist nicht unter britischer Kontrolle«, sagte Ian trocken. »Einen fähigen, beliebten Herrscher wie Dost Mohammed durch eine schwache, verabscheute Marionette von unserer Seite zu ersetzen, war das Dümmste, was die britische Regierung je getan hat. Wenn wir nicht ein paar Regimenter in Kabul stationiert hätten, um ihn zu unterstützen, würde Schah Shuja innerhalb von zwei Wochen vom Thron gestoßen werden. Die Afghanen können unsere Garnison jeden Moment angreifen. Sie mögen die schwere Hand unserer Staatsführung gar nicht, und ich kann es ihnen nicht verübeln.«
Ein Colonel runzelte finster die Stirn. »Für einen
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