Individuum und Massenschicksal
und wieder andere nur als Randerscheinungen. Es gibt eine Abend- und eine Morgendämmerung. Wenn ihr in der Mitte der Nacht bei vollwachem Zustand glaubt, es sei Sonnenaufgang, und ihr nicht zwischen eurer persönlichen Welt der Vorstellung und der materiellen Welt der Wirklichkeit zu unterscheiden vermögt, dann ist dieses Gleichgewicht gestört.
Für den Paranoiden wird seine Besessenheit - denn darum handelt es sich - zum Mittelpunkt seines psychischen Universums, und er blendet alles aus, was nicht ins Bild paßt, bis alles mit seinen Glaubensüberzeugungen übereinzustimmen scheint. Eine unvoreingenommene Überprüfung seiner Sinneswahrnehmungen jedoch würde ihm jederzeit Erleichterung bringen.
Macht Pause. Eine Anmerkung: Dies wird später noch Teil eines Kapitels in diesem Buch werden.
(22.31 Uhr. Anschließend folgte eine Mitteilung für Jane. Um 23.30
Uhr beendete Seth die Sitzung.)
Sitzung 835, Mittwoch, den 7. Februar 1979
(Jane war sehr entspannt vor der Sitzung. Diese besondere Art der Entspannung können Sie besser verstehen, wenn Sie sich die einführenden Anmerkungen zu Sitzung 829 vergegenwärtigen. - Beginn der Sitzung um 21.11 Uhr.)
Guten Abend.
(»Guten Abend, Seth.«)
Es gibt eine Zauberformel die seit Beginn dieses Jahrhunderts viele Menschen in ihren Bann schlug: »Es geht mir von Tag zu Tag in jeder Hinsicht immer besser und besser!«.*
Das mag wie eine überoptimistische, entzückende Augenauswischerei klingen. Bis zu einem erstaunlichen Grade jedoch erwies sich diese Suggestionsformel für Millionen von Menschen als wirksam.
* Seth zitierte verkürzt die berühmte Autosuggestionsformel des französischen Apothekers und Psychotherapeuten Amile Coué (1857 bis 1926) bereits in Kapitel 4 der »Natur der persönlichen Realität« . In einer Fußnote dazu (Seite 106) vermerkte ich bereits, daß Coué einer der Pioniere der Suggestionsforschung war und daß sein in den zwanziger Jahren verfaßtes Werk und seine Ideen zwar in Europa gut aufgenommen worden waren, in Amerika aber wenig Widerhall fanden. Tatsächlich endete seine Vortragsreise in den USA wegen der feindlichen Pressereaktionen als Mißerfolg.
Ein Allheilmittel war sie nicht. Sie mußte ohne Wirkung bei all denjenigen bleiben, die an die grundlegende Vertrauenswürdigkeit ihrer eigenen Natur nicht glaubten. Diese Suggestion aber war und ist kein Hirngespinst, denn sie ergibt - als Selbst- wie auch als Fremdsuggestion -
einen Bezugsrahmen, dem sich neue, aufbauende
Glaubensüberzeugungen zugesellen können.
Oft jedoch begegnet man in eurer Gesellschaft dem Gegenteil; mit schöner Regelmäßigkeit wird suggeriert: »Es geht mir von Tag zu Tag in jeder Hinsicht immer schlechter und schlechter, und der Welt ebenso!«
Ihr habt eure Suggestionsformeln für Unheil jeder Art; es ist eine probate Methode, Überzeugungen zu schaffen, die persönliche Katastrophen und Massentragödien geradezu heraufbeschwören. Gewöhnlich verbergen sich solche Überzeugungen hinter der »herrschenden Meinung«, das heißt hinter der konventionellen Maskierung als allgemein akzeptierte Denkinhalte. (Pause.) So mögen beispielsweise viele Tausende in irgendeinem Kampf oder Krieg umkommen. Diese Tode werden wie selbstverständlich hingenommen. Es handelt sich ja um Kriegsopfer, keine Frage. Selten kommt jemand auf den Gedanken, daß es sich (sehr nachdrücklich) um Überzeugungsopfer handelt. Die Gewehre und die Bomben und die Kampfhandlungen sprechen allzu beredt von Krieg.
Offensichtlich gibt es den Feind. Er hat böse Absichten. Kriege sind im Grunde Beispiele für Massenselbstmord. Doch werden sie aufgrund verhängnisvoller Massensuggestionen auf dem Schlachtfeld genau von den die Ressourcen eines Volkes verkörpernden Menschen ausgetragen, die überzeugt sind, daß die Welt unsicher und voller Gefahren ist, daß auf das Selbst kein Verlaß ist und daß außenstehende Fremde immer feindlich gesinnt sind. Ihr haltet es für selbstverständlich, daß die Spezies Mensch streitsüchtig und aggressiv ist. Ihr müßt die feindliche Nation überlisten, bevor ihr selbst vernichtet werdet. Diese paranoiden Tendenzen verbergen sich massenhaft unter den nationalistischen Kriegsbannern der Menschheit.
»Der Zweck rechtfertigt die Mittel.« Dies ist ein weiterer höchst verhängnisvoller Glaube. Religionskriege haben immer paranoide Tendenzen, denn stets fürchtet der Fanatiker Systeme, deren Glaubenssätze im Widerspruch zu seinen eigenen stehen.
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