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Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Berge gewandert waren, auf schwankenden Hängebrücken aus Pflanzengeflecht Schluchten überquert hatten, durch Bäche und Salzlachen gewatet und stetig höher und höher gestiegen waren, erreichten wir schließlich das Ziel unserer Reise. Von seinem Pferd herab deutete Leutnant Núñez mit der Lanze auf die Stadt Cuzco.
    Nie sah ich etwas, das der hochherrschaftlichen Stadt Cuzco gleichkäme, dem Nabel des Inkareichs, einem heiligen Ort, an dem der Mensch mit dem Göttlichen spricht. Möglich, daß sich Rom und vielleicht Toledo und einige maurische Städte, von denen es heißt, sie seien prächtig, mit Cuzco messen können, doch dort bin ich nie gewesen. Krieg und Zerstörungswut hatten Cuzco schwer beschädigt, und doch lag die Stadt wie eine weiße, schillernde Perle unter dem purpurnen Himmel. Mir stockte der Atem, und tagelang wollte die Beklommenheit nicht aus meiner Brust weichen, was nicht an der dünnen Höhenluft lag, vor der ich gewarnt worden war, sondern einzig an der massigen Schönheit der Tempel, Festungsanlagen und Stadtpaläste.Es heißt, die ersten Spanier hätten einige der Paläste mit Gold verkleidet gesehen, doch nun waren die Mauern nackt. Im Norden der Stadt erhebt sich die heilige Feste Sacsayhuamán, ein grandioses Bauwerk mit drei Reihen hoher, im Zickzack verlaufender Wehrmauern, dem Sonnentempel, einem Labyrinth von Straßen, massigen Türmen, Gehwegen, Treppen, Terrassen, Kellern und Gemächern, die einst fünfzig- oder sechzigtausend Menschen großzügig Raum boten. Der Name der Feste bedeutet »zufriedener Falke«, und wie ein Falke wacht sie über Cuzco. Erbaut wurde sie aus mächtigen behauenen Steinblöcken, die ohne Mörtel so kunstfertig aufeinandergefügt sind, daß selbst die dünnste Degenklinge nicht in die Fugen dringt. Wie wurden diese gewaltigen Blöcke nur bearbeitet? Es gab doch in Peru kein Eisen für Werkzeug. Und Karren und Pferde hatte es auch keine gegeben, wie waren die Steine also über viele Meilen hierhergeschafft worden? Und wie konnte eine Handvoll Spanier ein Imperium in die Knie zwingen, das einst solche Wunderwerke vollbracht hatte? Man konnte mir hundertmal erklären, daß die Spanier den Zwist unter den Inkas schürten und auf die Hilfe von Tausenden Yanaconas zählten, die ihnen dienten und für sie kämpften, mir ist dieser Handstreich trotzdem bis heute unbegreiflich. »Wir haben Gott auf unserer Seite, und außerdem Pulver und Stahl«, sagten die Eroberer und waren froh, daß sich die Eingeborenen mit Waffen aus Stein zu verteidigen suchten. »Als sie uns sahen, wie wir in großen, geflügelten Häusern übers Meer kamen, hielten sie uns für Götter«, folgt dann zumeist noch als Erklärung, aber mir will es scheinen, als hätten die Spanier dieses nützliche Märchen in die Welt gesetzt und wiederholt, bis die Indios und sie selbst es schließlich glaubten.
    Voller Staunen wanderte ich durch die Straßen von Cuzco und forschte in den Mienen der Menschenmenge. Nie sah ich ein Lächeln auf den kupferfarbenen Gesichtern, nieerwiderten sie meinen Blick. Ich versuchte mir vorzustellen, wie diese Menschen gelebt hatten, ehe wir kamen, malte mir Familien aus, die in buntem, festlichem Putz durch ebendiese Straßen flanierten, dazu Priester mit Brustpanzern aus Gold und den Inka, der mit Schmuck behängt in einer goldenen, mit märchenhaften Vogelfedern verzierten Sänfte vorbeigetragen wurde und umringt war von Musikern, von stolzen Kriegern und seinem endlosen Gefolge aus Gattinnen und Sonnenjungfrauen. Es gab diese vielschichtige höfische Gesellschaft noch, man bekam sie nur nicht zu Gesicht. Francisco Pizarro hatte einen neuen Inka auf den Thron gesetzt und hielt ihn mit allem Pomp gefangen. Ich sah ihn nie, weil ich keinen Zutritt zu seinem Hofstaat hatte, der die Geiselhaft mit ihm teilte. Was ich sah, war das Volk, das zahlreich war und stumm. Auf jeden bärtigen Spanier kamen Hunderte bartloser Indios. Großspurig und laut lebten die Eroberer in ihren eigenen Sphären, als wären die Eingeborenen unsichtbar, nichts als Schatten in den schmalen, gepflasterten Gassen. Sie hatten gesiegt, und die Indios ließen sie gewähren, behielten jedoch die eigenen Gebräuche, ihren Glauben und ihre Ordnung bei in der Hoffnung, die Eindringlinge durch Geduld und den Lauf der Zeit wieder loszuwerden. Daß die Spanier für immer bleiben würden, ging über ihre Vorstellungskraft.
    Der Bruderzwist, der die Spanier zu Zeiten von Diego de Almagro entzweit hatte, war

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