Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
eingeschifft hatte, weil ihn wie so viele andere der von Pizarro und Almagro entdeckte Reichtum lockte. Da packte ich meine Habe zusammen, griff mein Erspartes an, und weil mir nicht gestattet war, die Reise in den Süden allein anzutreten, ersuchte ich eine Gruppe von Dominikanermönchen darum, sich meiner anzunehmen. Ich vermute, sie reisten im Auftrag der Inquisition, aber ich fragte sie nie danach, weil mich damals wie heute allein bei dem Wort das Grauen packt. Als ich acht oder neun Jahre alt war, sah ich in Plasencia einige Ketzer brennen. Ich weiß es noch wie heute. Damit die Ordensbrüder mich nach Peru mitnahmen, kleidete ich mich wieder von Kopf bis Fuß in Schwarz und spielte ihnen die untröstliche Ehefrau vor. Sie waren sehr angetan von der Treue zu meinem Gatten, um derentwillen ich ihm um die Welt folgte, ohne daß er michan seine Seite gerufen hätte oder ich auch nur seinen genauen Aufenthalt kannte. Ich tat es nicht der Treue wegen, wollte nur der Ungewißheit entkommen, in der Juan mich zurückgelassen hatte. Ich liebte ihn seit Jahren nicht mehr, entsann mich kaum seines Gesichts und fürchtete, ihn womöglich nicht zu erkennen, wenn ich ihn sah. Aber in Panama gab es nichts, was mich gehalten hätte, und ich war froh, fortzukommen von den Gelüsten der durchreisenden Soldaten und von dem stickig heißen Klima.
Etwa sieben Wochen kreuzten wir, den Launen des Windes ausgeliefert, im offenen Meer. Die Route nach Peru wurde damals bereits von Dutzenden spanischer Schiffe befahren, aber die Seekarten hütete man weiter wie Staatsgeheimnisse. Sie waren noch nicht vollständig, weshalb es zu den Pflichten der Steuerleute zählte, für spätere Reisen jede ihrer Beobachtungen zu notieren, angefangen bei der Farbe des Wassers bis hin zu den unscheinbarsten Landmarken an der Küste, sobald diese in Sichtweite kam. Wir erlebten schwere See, Nebel, Stürme, Zwistigkeiten unter der Mannschaft und andere Unbill, über die ich mich hier nicht verbreiten will. Jedenfalls lasen die Mönche jeden Morgen die Messe und ließen uns am Abend den Rosenkranz beten, um den Ozean und die Streitsucht der Männer zu besänftigen. Eine Reise birgt immer Gefahren. Mir ist es ein Graus, in einer Nußschale der Willkür der weiten See preisgegeben zu sein und, fern von allem menschlichen Beistand, Gott und die Natur herauszufordern. Lieber lasse ich mich von wilden Indios belagern, wie ich es viele Male erlebt habe, als noch einmal ein Schiff zu besteigen, deshalb habe ich nie mit dem Gedanken gespielt, nach Spanien zurückzukehren, selbst dann nicht, als wir, bedroht von den Eingeborenen, unsere Städte räumen und wie die Ratten fliehen mußten. Ich habe immer gewußt, daß ich mein Leben in den Neuen Indien beschließen würde.
Obwohl die Mönche mit Argusaugen über michwachten, bedrängte mich auf hoher See erneut die Lüsternheit der Männer. Wie eine Meute lauernder Hunde spürte ich sie im Nacken. Roch ich denn wie ein läufiges Weibchen? Wenn ich allein war in meiner Kajüte, schrubbte ich mich mit Seewasser, ich fürchtete mich vor dieser Anziehungskraft, die ich nicht haben wollte und die mir zum Verhängnis werden konnte. Im Schlaf verfolgten mich hechelnde Wölfe, mit hängenden Zungen und blutigen Lefzen setzten sie alle auf einmal zum Sprung auf mich an. Manchmal trugen sie die Gesichtszüge von Sebastián Romero. Ich verriegelte meine Kajüte, tat nächtelang kein Auge zu, stickte, betete und wagte mich nicht ins Freie, wo mich die kühle Nachtluft vielleicht beruhigt hätte, aber immer waren auch Männer dort in der Dunkelheit an Deck. Die Vorstellung war bedrohlich, gewiß, und doch hielt sie mich in Bann und verlockte mich. Das Verlangen war wie ein schwindelerregender Abgrund, der vor meinen Füßen klaffte und mich einlud, einen Schritt zu tun und mich in seinen Tiefen zu verlieren. Ich kannte den glückhaften Rausch und die Marter der Leidenschaft, in den ersten Jahren meiner Verbindung mit Juan de Málaga hatte ich beides erlebt. Bei allem, was mein Ehemann zu wünschen übrigließ, war er doch ein unersättlicher und einfallsreicher Liebhaber gewesen, und nur deshalb hatte ich ihm wieder und wieder verziehen. Selbst als ich keine Liebe und Achtung mehr für ihn empfand, war das Begehren geblieben. Um mich gegen jede Versuchung zu wappnen, hatte ich mir eingeredet, ich könne nie mit einem andern solche Wonnen erfahren. Außerdem wußte ich doch, welche Krankheiten die Männer übertragen; ich hatte
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