Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
sich mit ihnen nicht nur bei mir, sondern auch sonst überall breit. Eines Morgens quoll den beiden Hunden grünlicher Schaum aus dem Mund, und wenig später waren sie totenstarr. Völlig außersich drohte ihr Besitzer, denjenigen umzubringen, der sie vergiftet hatte, aber der deutsche Arzt machte ihm klar, daß sie an der Pest gestorben waren und er ihre Kadaver schleunigst verbrennen sollte, um jede Ansteckung zu vermeiden. Er tat es aus Angst, der erste zu sein, den die Krankheit hinraffen würde.
Immer häufiger kam der Leutnant zu Besuch, und weil ich auch auf der Straße nicht vor ihm gefeit war, machte er mir das Leben zur Qual. »Nun, dieser Weiße versteht nicht durch Worte, Herrin. Ich sage nur, er kann sterben wie die Hunde von ihm«, verkündete Catalina. Ich fragte lieber nicht nach, wie sie das meinte. Dann stand Núñez wieder einmal in meiner Stube, füllte sie mit seinem Lärm, seinem strengen Mannsgeruch und seinen Geschenken, die ich nicht haben wollte.
»Warum quält Ihr mich so, schöne Inés?« fragte er zum tausendsten Mal und packte mich dabei um die Hüfte.
»Haltet Euch zurück. Niemand hat Euch erlaubt, derart vertraulich zu werden.« Ich entwand mich seinem Griff.
»Nun, denn, verehrte Inés, wann heiraten wir?«
»Niemals. Hier sind Eure Hemden und Beinkleider, alles ist geflickt und gewaschen. Sucht Euch eine andere Wäscherin, ich möchte Euch hier nicht mehr sehen. Lebt wohl«, und damit schob ich ihn zur Tür.
»Ihr weist mir die Tür, Inés? Ihr werdet mich kennenlernen, Weibsstück! Ich lasse mich nicht beleidigen, schon gar nicht von einer Dirne!« schrie er, schon auf der Straße.
Es war die milde Stunde vor Sonnenuntergang, wenn die Nachbarn sich scharten in Erwartung, daß die letzten Empanadas aus dem Ofen kämen, aber mir war nicht danach, sie zu bedienen; ich bebte vor Wut und Scham. Also verteilte ich nur einige Empanadas an die Armen, damit sie nicht ohne Essen blieben, und schloß dann meine Tür, die für gewöhnlich offenstand, bis die kühle Nachtluft sich über die Stadt senkte.
»Verflucht ist der, Mamita, aber nun, du mußt nicht toben. Dieser Núñez muß bald Glück mitbringen«, tröstete mich Catalina.
»Der kann doch nur Unglück bringen, Catalina! So ein abgewiesener Wichtigtuer ist gefährlich.«
Catalina sollte recht behalten. Dank des unseligen Leutnants, der eine Schenke betrat, dort trank und tönte, was er mit mir anstellen würde, lernte ich in jener Nacht den Mann kennen, den das Schicksal für mich vorgesehen hatte und den mir zu verheißen Catalina nicht müde geworden war.
Die Schenke, ein großer Raum mit niedriger Decke und mehreren kleinen Fensterlöchern, durch die kaum genug Luft zum Atmen drang, wurde von einem gutmütigen Andalusier geführt, bei dem die weniger zahlungskräftigen Soldaten anschreiben durften. Deshalb, und weil dort allabendlich zwei Neger Gitarre spielten und trommelten, war das Lokal sehr beliebt. Vom munteren Lärmen der Gäste unbeeindruckt, saß auf einem Schemel in einer Ecke des Raums ein ernst dreinblickender Mann allein bei einem Krug Wein. Vor sich auf dem kleinen Tisch hatte er ein vergilbtes Stück Papier ausgebreitet und mit seinem Weinkrug beschwert. Der Mann war Pedro de Valdivia, Oberfeldmeister von Francisco Pizarro und Held der Schlacht von Las Salinas, mittlerweile zu einem der wohlhabendsten Landherren Perus geworden. Als Lohn für seine Dienste hatte Pizarro ihm auf Lebenszeit die Rechte an einer reichen Silbermine in Porco übertragen, dazu Ländereien im fruchtbaren und ertragreichen Tal von La Canela und Hunderte Indios für die Arbeit. Und was tat der vielgerühmte Valdivia in diesem Moment? Er zählte nicht die Silberbarren, die sich aus dem Erz seiner Mine würden gießen lassen, nicht seine Lamas oder seine Säcke mit Mais, nein, er studierte eine Karte, die Diego de Almagro kurz vor seiner Hinrichtung in seinem Kerker eilig gezeichnet hatte. Alle Gedanken Valdiviaskreisten darum, dort zu triumphieren, wo der Adelantado Almagro gescheitert war, in dieser unbekannten Gegend tief im Süden des Erdballs. Die allein galt es noch zu erobern und zu besiedeln, sie war der einzige unberührte Ort, an dem ein Soldat wie er Geschichte schreiben konnte. Der Gedanke, in Francisco Pizarros Schatten zu verweilen und behaglich in Peru alt zu werden, lag ihm fern. Auch an eine Rückkehr nach Spanien dachte er nicht, einerlei, zu wieviel Vermögen und Ansehen er es gebracht haben mochte. Schon gar nicht
Weitere Kostenlose Bücher