Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
erschüttert haben, man konnte das Knistern in der Luft fasthören. Aus dem Nichts tauchte Catalina mit dem Wein auf, verschwand jedoch sofort, als sie merkte, was vorging.
Nachher sollte Pedro mir gestehen, er habe in jener Nacht nicht den ersten Schritt getan, weil er zu aufgewühlt und durcheinander gewesen sei. »Als ich dich sah, hatte ich zum erstenmal in meinem Leben Angst«, würde er viel später sagen. Er war kein Mann der Mätressen oder Konkubinen, nie hatte man läuten hören, er habe eine Geliebte oder unterhalte Umgang mit indianischen Frauen, auch wenn er vermutlich bisweilen die Dienste einer Dirne in Anspruch genommen hatte. Auf seine Weise war er Marina Ortiz de Gaete stets treu gewesen, an der er schuldig geworden war, weil er sie zur Frau genommen hatte, als sie erst vierzehn war, sie nicht glücklich gemacht und sie verlassen hatte, um sich in das Wagnis der Neuen Welt zu stürzen. Er fühlte sich vor Gott für sie verantwortlich. Ich hingegen war frei, und Pedro hätte ein halbes Dutzend Ehefrauen haben können, ich hätte ihn doch geliebt, es war nicht zu vermeiden. Er war fast vierzig Jahre alt und ich um die Dreißig, keiner von uns hatte Zeit zu verlieren, deshalb sorgte ich dafür, daß die Dinge in die rechten Bahnen gelangten.
Wie kam es, daß wir uns so bald in den Armen lagen? Wer streckte zuerst die Hand aus? Wer suchte die Lippen des andern zum Kuß? Gewiß war ich es. Ich hatte kaum die Sprache wiedergefunden, da brach ich dieses so beredte Schweigen, in dem wir uns ansahen, und eröffnete ihm rundheraus, ich hätte seit vielen Jahren auf ihn gewartet, er sei mir in Träumen erschienen und mir von Catalinas prophetischen Muscheln verheißen worden, ich versprach, ihn immer zu lieben, und manches mehr, ohne jeden Vorbehalt und ohne Scham. Stocksteif, bleich im Gesicht, wich Pedro zurück, bis sein Rücken die Wand berührte. Welche Frau, die bei Trost ist, spricht so zu einem Unbekannten? Und doch glaubte er nicht, ich hätte den Verstand verloren oder sei ein Dirne, die es nach Cuzco verschlagen hatte, denn bisins Mark und in die verborgenen Winkel seiner Seele hinein spürte auch er die Gewißheit, daß wir geschaffen waren, einander zu lieben. Er seufzte, fast war es ein Schluchzen, und dann flüsterte er mit belegter Stimme meinen Namen, und ich meine, er sagte: »Auch ich habe immer auf dich gewartet.« Oder vielleicht sagte er es auch nicht. Im Laufe unseres Lebens verklären wir wohl so manches Gewesene und versuchen anderes zu vergessen. Sicher bin ich indes, daß wir uns noch in dieser Nacht liebten und uns vom ersten Kuß an dasselbe Feuer verzehrte.
Pedro de Valdivia war im Getümmel der Schlachten zu dem geworden, der er war, von Liebe verstand er nichts, doch war er bereit, sie zu empfangen, als sie zu ihm kam. Er hob mich hoch und war mit vier ausladenden Schritten am Bett, wir sanken darauf nieder, er begrub mich unter sich, küßte mich, biß mich, zerrte sich das Wams vom Leib, die Beinkleider, die Stiefel, die Strümpfe, kopflos und hitzig wie ein Junge. Ich ließ ihn gewähren, er sollte sich austoben. Wie lang war er ohne Frau gewesen? Ich drückte ihn an mich, spürte seinen Herzschlag, seine animalische Hitze, seinen Mannsgeruch in der Nase. Pedro hatte noch viel zu lernen, aber das eilte nicht, wir hatten den Rest unseres Lebens vor uns, und ich war eine gute Lehrerin, wenigstens dafür durfte ich Juan de Málaga dankbar sein. Als Pedro erst begriffen hatte, daß hinter geschlossenen Türen ich den Ton angab und daran nichts Unstatthaftes war, ließ er sich heiteren Herzens von mir führen. Zugegeben, es dauerte ein wenig bis dahin, in den ersten vier oder fünf Stunden glaubte er noch, die Hingabe sei Sache der Frau und der Mann müsse sich durchsetzen, so hatte er das bei Tieren gesehen und in seinem soldatischen Gewerbe gelernt, aber nicht umsonst hatte Juan de Málaga mich über Jahre ermuntert, meinen eigenen Körper kennenzulernen, und mir gezeigt, wie der eines Mannes beschaffen ist. Ich möchte nicht behaupten, ein Mann sei wie der andere, aber sie ähneln sich dochziemlich, und mit etwas Gespür kann jede Frau einen Mann glücklich machen. Umgekehrt ist es nicht dasselbe; wenige Männer verstehen sich darauf, eine Frau zu erfreuen, und kaum einem liegt überhaupt etwas daran. Pedro war klug genug, seinen Degen hinter der Tür zu lassen und sich mir zu ergeben. Die Einzelheiten dieser ersten Nacht spielen weiter keine Rolle, jedenfalls entdeckten wir
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