Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
schneiden, war eine Arbeit von Tagen. Einige waren so entkräftet, daß man ihnen den Maisbrei mit dem Löffel füttern mußte wie kleinen Kindern. Catalina flüsterte mir ins Ohr, was die Inkas in schweren Fällen von Auszehrung unternommen hatten, und wir flößten den Schwächsten das Mittel ein, ohne ihnen zu verraten, was es war, damit sie sich nicht ekelten. Wenn es dunkel wurde, schlich Catalina zu den Lamas und ließ sie mit einem kleinen Schnitt am Hals zur Ader. Das frische Blut vermischten wir mit Milch und ein wenig Urin und gaben es den Kranken; so kamen sie wieder zu Kräften, und nach zwei Wochen waren sie bereit zum Aufbruch.
Auch die Yanaconas hatten Vorkehrungen für die kommenden Strapazen getroffen; sie waren nie in dieser Gegend gewesen, hatten jedoch von den Schrecken der Wüste gehört. Aus den Beinen von Lamas, Guanacos und Alpakas fertigten sie Schläuche für Wasser, die sie sich um den Hals hängen konnten. Die Haut wurde im ganzen abgezogen und dann mit dem Fell nach innen umgestülpt wie ein Strumpf. Auch Tierblasen und Seehundfellewurden mit Wasser gefüllt. Ein paar geröstete Maiskörner darin sollten den Geruch überdecken. Don Benito hatte für den Transport größerer Wassermengen Fässer zimmern lassen und nutzte zusätzlich Schläuche wie die Indios. Es würde nicht reichen für so viele Menschen, das wußten wir, aber mehr konnte man den Männern und den Lamas nicht zumuten.
Uns war bang, denn ein Chasqui des Inka Manco hatte unter der Folter davon gesprochen, daß die wenigen Brunnen auf unserem Weg von den Indios dieser Landstriche vergiftet worden waren. Don Benito hatte den Mann unter unseren Indios entdeckt und von Valdivia die Erlaubnis erbeten, ihn zu verhören. Die schwarzen Aufseher brieten ihn langsam über dem Feuer. Mein Magen revoltiert, wenn ich bei Marterqualen zusehen soll, deshalb zog ich mich zurück, so weit es ging, aber die grauenhaften Schreie des Gepeinigten und das entsetzte Wimmern der Yanaconas waren in einer Meile Umkreis zu hören. Um der Folter zu entrinnen, gestand der Bote, er sei aus Peru gekommen mit Anweisungen für die Indios in Chile, die den Vormarsch der Viracochas verhindern sollten. Deshalb hatten die Indios ihre Ernte vergraben, hatten ihre Felder abgebrannt und hielten sich mit den Tieren, die sie mitnehmen konnten, in den Bergen versteckt. Er sei nicht der einzige Bote, sagte er, Hunderte Chasquis trügen diese Anweisungen des Inka Manco auf geheimen Pfaden eilig nach Süden. Nachdem er gestanden hatte, briet man ihn weiter über dem Feuer, bis er tot war – zur Abschreckung, wie es hieß. Ich beschimpfte Pedro, weil er diese Widerwärtigkeit geschehen ließ, aber er fuhr mir zornig über den Mund: »Don Benito weiß, was er tut. Ich habe dir gleich gesagt, dieses Unternehmen ist nichts für zartbesaitete Naturen. Für ein Zurück ist es jetzt zu spät.«
Wie lang und beschwerlich ist der Weg durch die Wüste! Wie langsam und ermüdend jeder Schritt! Wie glutheiß und endlos die menschenleere Ödnis! Die Tage schleppten sich langsam und gleichförmig hin in dieser kahlen Welt aus schroffem Geröll und hartem Fels, die nach verbranntem Pulver und Akazienasche roch und von Gottes Hand in leuchtenden Farben bemalt war. Don Benito sagte, die Farben stammten von verborgenen Mineralien, und so schien es ein teuflischer Hohn, daß keines davon Gold oder Silber war. Pedro und ich wanderten Stunde um Stunde und führten unsere Pferde am Zügel, um sie zu schonen. Wir sprachen wenig, weil unsere Kehlen brannten und die Lippen staubtrocken waren, aber wir waren zusammen, und jeder Schritt brachte uns einander näher und führte uns weiter hinein in das Land, in den Traum, den wir miteinander geteilt hatten und der solche Opfer verlangte: Chile.
Ich schützte mich mit einem breitkrempigen Hut und mit einem Tuch vor dem Gesicht, in das ich Löcher für die Augen geschnitten hatte, und weil ich nicht an Handschuhe gedacht hatte, wickelte ich mir Lappen um die Hände, damit mir die Sonne die Haut nicht von den Knochen sengte. Die Soldaten verwünschten die glutheißen Rüstungen, die sie mitschleppen mußten. Die lange Reihe der Indios folgte uns langsam, stumm und nur schlecht bewacht von den Negern, die mit gesenktem Kopf nebenhertaumelten und keine Kraft mehr fanden, die Peitsche zu heben. Für die Träger war der Weg tausendmal schlimmer als für uns; Plackerei und karge Kost waren sie gewöhnt und konnten, angetrieben von der rätselhaften
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