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Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Kraft der Kokablätter, tagelang hügelauf, hügelab trotten, aber gegen den Durst vermochten sie nichts. Mit jedem Tag, an dem wir keinen sauberen Brunnen fanden, wuchs unsere Verzweiflung. Nie bekamen wir die Indios der Gegend zu Gesicht, aber in jedem Wasserloch auf unserem Weg trieben die Kadaver von Tieren. Einige Yanaconas tranken von demvergifteten Naß und starben in Krämpfen, mit lodernden Gedärmen.
    Als wir glaubten, mit unseren Kräften am Ende zu sein, wandelte sich die Farbe von Bergen und Boden. Kein Windhauch mehr, der Himmel gleißte weiß, und alles Leben verschwand, selbst die Disteln und die vereinzelten Vögel, die wir zuvor noch gesehen hatten: Wir hatten das gefürchtete »entvölkerte Land« erreicht. Mit dem ersten Licht der Morgendämmerung setzten wir uns in Bewegung, denn in der Hitze des Tages war an ein Fortkommen nicht zu denken. Pedro war überzeugt, je schneller wir vorankämen, desto weniger Menschenleben würden wir verlieren, auch wenn jeder Schritt eine Schinderei war. In den heißesten Mittagsstunden lagen wir ausgestreckt auf diesem Meer aus gebackenem Sand, unter einer Sonne aus geschmolzenem Blei, im leblosen Nirgendwo. Gegen fünf am Nachmittag zogen wir weiter, bis die Nacht anbrach und die Dunkelheit uns zum Anhalten zwang. Das Gelände war schroff, unerbittlich und abweisend. Wir hatten nicht die Kraft, für ein paar wenige Stunden unseren Lagerplatz herzurichten und die Zelte aufzubauen. Feindliche Angriffe mußten wir nicht fürchten, kein Mensch lebte in dieser Einöde oder wagte sich auch nur in sie vor. War die Sonne fort, wurde es jählings bitterkalt, und wenn wir eben noch dachten, wir müßten verbrennen, so kroch uns jetzt der Frost in die Glieder. Jeder rollte sich, wie es gerade kam, bibbernd am Boden zusammen und achtete nicht auf die Anweisungen von Don Benito, der als einziger noch um Disziplin bemüht war. Pedro und ich lagen eng umschlungen zwischen unseren Pferden und versuchten uns warm zu halten. Wir waren wie zerschlagen. Der körperlichen Liebe entsannen wir uns nicht in diesen Wochen auf unserem Weg. Doch öffnete die Enthaltsamkeit uns die Augen für die Verletzlichkeit des anderen und nährte in uns eine Zärtlichkeit, die zuvor von Leidenschaft verschüttet gewesen war. Am meistenbewundere ich an diesem Mann, daß er niemals an seinem Auftrag zweifelte: Spanier sollten in Chile siedeln und die Indios Gottes Wort hören. Er glaubte nie, daß wir in der Wüste verdorren würden, wie die anderen sagten; sein Wille wankte nicht.
    Trotz der strengen Rationierung, die Don Benito uns auferlegt hatte, kam der Tag, an dem unsere Wasservorräte erschöpft waren. Längst waren wir krank vor Durst, unsere Kehlen wund vom Sand, die Zungen geschwollen, die Lippen blutig. Plötzlich meinten wir, das Plätschern eines Wildbachs zu hören, und dort vor uns, am Horizont, lag ein glitzernder, schilfumwachsener See. Die Hauptleute mußten ihre Männer mit Gewalt zurückhalten; in dem Versuch, sich über den heißen Sand zu dem Trugbild zu schleppen, hätten sie ihr Leben gelassen. Einige der Soldaten tranken ihren eigenen Urin und den der Pferde, der sehr wenig war und dunkel; andere stürzten sich ohne Verstand auf die Yanaconas, um ihnen die Schläuche zu entreißen in der Hoffnung auf ein paar letzte Tropfen. Hätte Valdivia nicht unverzüglich hart durchgegriffen, ich glaube, sie hätten die Yanaconas umgebracht, um ihr Blut zu trinken. In jener Nacht kam Juan de Málaga erneut zu Besuch. Ich weckte Pedro, aber der konnte ihn nicht sehen und glaubte, ich hätte Wahnvorstellungen. Mein Ehemann stand in seinen blutverkrusteten, von glitzerndem Staub überzogenen Lumpen im hellen Mondlicht und bot ein Bild des Jammers, als litten auch seine armen Knochen Durst.
    Am nächsten Tag, als wir uns schon unwiderruflich verloren glaubten, huschte ein seltsames Reptil zwischen meinen Füßen hindurch. Seit Tagen hatten wir nichts Lebendiges gesehen außer uns selbst, nicht einmal mehr Disteln, die an anderen Stellen auf unserem Weg häufig gewesen waren. Vielleicht war es ein Salamander, diese Echse, die im Feuer lebt. Doch wie teuflisch das Tierchen auch sein mochte, hin und wieder würde es einen Tropfen Wasser brauchen. »Nunsind wir an der Reihe, kleine Jungfrau«, sagte ich zu unserer Señora del Socorro. Ich holte die Rute aus meinem Gepäck und kniete nieder zum Gebet. Es war Mittagszeit, die Masse der durstigen Menschen und Tiere ruhte aus. Ich rief nach Catalina,

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