Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
hinauf in die Stadt der Könige blüht der illegale Handel mit diesen Menschen, und alle bereichern sich daran, Landherren, Minenaufseher und selbst Schiffskapitäne. So rotten wir die Eingeborenen dieser Landstriche aus, wie Valdivia es immer befürchtet hat, denn lieber sterben sie in Freiheit, als in der Sklaverei zu leben. Würde man einen von uns Spaniern vor diese Wahl stellen, er würde auch nicht zögern.
Valdivia war erbost über die Dummheit derer, die sich auf diese Weise schadlos halten und die Neue Welt entvölkern. Ohne seine Menschen ist dies Land nichts wert, sagte er. Er starb, ohne das Ende des Schlachtens zu sehen, das nun schon vierzig Jahre währt. Immer neue Spanier kommen ins Land, und Mestizen werden geboren, aber die Mapuche werden weniger, sterben im Krieg, in der Sklaverei oder durch unsere Krankheiten, gegen die sie nichts vermögen. Ich fürchte die Mapuche, weil sie großes Leid über uns gebracht haben; mich erzürnt, daß sie das Wort Christi zurückweisen und sich jedem Versuch, sie aus derBarbarei zu führen, widersetzen; ich kann ihnen nicht verzeihen, auf welch grauenvolle Weise sie Pedro de Valdivia gemordet haben, auch wenn sie ihm nur Gleiches mit Gleichem vergalten, denn auch er hat sich vieler Missetaten und Scheußlichkeiten gegen sie schuldig gemacht. Wer das Schwert nimmt, der soll durchs Schwert umkommen, heißt es im Evangelium. Aber ich achte und bewundere die Mapuche auch, ich will es nicht verhehlen. Wir sind einander würdige Gegner: Spanier wie Mapuche gleichermaßen tapfer, unerbittlich und entschlossen, in Chile zu leben. Sie waren vor uns da und besitzen die älteren Rechte, aber sie werden uns niemals vertreiben, und wie es scheint, können wir auch nicht in Frieden miteinander leben.
Wo sie nur herkamen, diese Mapuche? Es heißt, sie ähnelten manchen Völkern in Asien. Doch wie sollten sie über diese brodelnden Meere und durch dies weite Land gelangt sein? Sie sind Wilde, kennen weder Kunst noch Schrift, bauen weder Städte noch Tempel, besitzen nicht Obrigkeit noch Diener, keine Stände oder Priester, nur Hauptleute für den Krieg, ihre Toquis. Nackt und frei streifen sie von einem Ort zum andern mit ihren vielen Frauen und Kindern, die mit ihnen in die Schlacht ziehen. Sie opfern keine Menschen wie andere Indios in Amerika und beten keine Götzen an. Sie glauben an einen einzigen Gott, aber das ist nicht unser Gott, sondern einer, den sie Ngenechén nennen.
In Tarapacá schlugen wir unser Lager auf, weil Pedro auf Verstärkung warten wollte und wir uns von den Anstrengungen des Marschs erholen mußten, während die chilenischen Indios das Ihre taten, uns das Weiterkommen zu erschweren. Sie boten uns kaum je offen die Stirn, aber sie raubten uns Vorräte und Ausrüstung und griffen aus dem Hinterhalt an. Fast immer gab es dabei Verletzte, um die ich mich kümmern mußte, zumeist Yanaconas, die ohneRüstungen und Pferde kämpften. Menschliche Munition, nannte man sie. Die Chronisten vergessen sie gern, aber ohne diese stillen Massen verbündeter Indios, die uns bei unseren Unternehmungen und Kriegen begleiteten, wäre die Eroberung der Neuen Welt niemals möglich gewesen.
Zwischen Cuzco und Tarapacá waren gut zwanzig weitere Soldaten zu uns gestoßen, und Pedro war sicher, daß mehr kommen würden, wenn sich erst herumsprach, daß die Expedition bereits auf dem Weg war, aber wir hatten fünf Mann verloren, was angesichts unserer geringen Zahl beträchtlich war. Einer war von einem vergifteten Pfeil schwer verwundet worden, und weil ich nichts für ihn tun konnte, hatte Pedro ihn zusammen mit seinem Bruder, zwei weiteren Soldaten und einigen Yanaconas zurück nach Cuzco geschickt. Wenige Tage später war unser Oberfeldmeister, der schon seit über einer Woche einen stechenden Schmerz in der Brust verspürt hatte, mit frischem Mut erwacht, konnte endlich wieder frei atmen und hatte von seiner Frau geträumt, die in Spanien auf ihn wartete. Ich brachte ihm einen Becher mit geröstetem Mehl, das ich mit Wasser und Honig verrührt hatte, und er löffelte den Brei andächtig wie ein erlesenes Mahl. »Heute seid Ihr schöner denn je, Doña Inés«, sagte er zu mir, so galant wie immer, und plötzlich wurden seine Augen glasig, und er sackte mir tot vor die Füße. Nachdem wir ihn beigesetzt hatten, riet ich Pedro, Don Benito zum neuen Oberfeldmeister zu ernennen, denn der alte Kämpe kannte die Route und war erfahren darin, Feldlager zu organisieren und die
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