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Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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meinen Nacken und bedeckte meinen Hals und mein Gesicht mit tränenfeuchten Küssen. Ich sammelte mich, um ihm das Knie in die Leiste zu rammen, und kam noch eben dazu, ein Stoßgebet an unsere Señora del Socorro zu schicken, aber es war schon zu spät, denn im selben Moment trat Pedro über die Schwelle, den Degen in der Hand. Er war die ganze Zeit im Nebenraum gewesen und hatte uns durch einen Spalt in der Zeltbahn beobachtet.
    »Neeein!« schrie ich, als ich gewahrte, daß er die Klinge hob, um den unglücklichen Jungen zu durchbohren.
    Mit aller Kraft warf ich mich herum und schaffte es, Escobar unter mir zu begraben. Ich wollte ihn vor dem blankgezogenen Degen und auch vor dem Hund schützen, der seine Rolle als Wächter jetzt angenommen hatte und nach ihm schnappte.
    Es gab keine Gerichtsverhandlung und keinerlei Erklärungen. Pedro de Valdivia schickte bloß nach Don Benito und befahl, den Soldaten Escobar am nächsten Morgen nach der Messe vor versammelter Mannschaft zu hängen. Don Benito nahm den zitternden Jungen am Arm und steckte ihn in ein Zelt, ohne Ketten, aber bewacht. Escobar war ein Häufchen Elend, doch was ihm zusetzte, war nicht Angst vor dem Tod, sondern sein gebrochenes Herz. Pedro de Valdivia verschwand im Zelt von Francisco de Aguirre und spielte dort bis zum Morgengrauen mit einigen Hauptleuten Karten. Er gestattete mir nicht, mit ihm zu reden, und selbst wenn ich es hätte tun können, hätte ich dieses eineMal wohl keinen Weg gefunden, ihn von seiner Entscheidung abzubringen. Er war rasend vor Eifersucht.
    Unterdessen versuchte unser Kaplan González de Marmolejo mich zu trösten, sagte, die Schuld liege nicht bei mir, sondern bei Escobar, weil er das Weib seines Nächsten begehrt habe, oder etwas ähnlich Abgeschmacktes.
    »Sicher werdet Ihr die Hände nicht in den Schoß legen, Pater«, sagte ich. »Ihr müßt Pedro klarmachen, daß er im Begriff ist, ein schweres Unrecht zu begehen.«
    »Der Generalhauptmann muß für Ordnung unter seinen Leuten sorgen, Tochter, einen solchen Fehltritt kann er nicht hinnehmen.«
    »Pedro nimmt es hin, daß seine Männer die Frauen anderer vergewaltigen und schlagen, aber wehe einer faßt seine an!«
    »Er kann nicht zurück. Befehl ist Befehl.«
    »Natürlich kann er zurück! Der Junge hat es doch nicht verdient, zu hängen, das wißt Ihr so gut wie ich. Geht und redet mit ihm!«
    »Ich gehe, Doña Inés, aber ich sage Euch gleich, er wird seine Meinung nicht ändern.«
    »Ihr könntet ihm die Exkommunizierung androhen …«
    »Damit droht man nicht leichtfertig!« rief der Kaplan entsetzt.
    »Aber Pedro kann sich leichtfertig einen Toten aufs Gewissen laden, ja?«
    »Doña Inés, Euch fehlt es an Demut. Das liegt nicht in Eurer, sondern in Gottes Hand.«
    González de Marmolejo ging, um mit dem Generalhauptmann zu reden. Er tat es vor den Hauptleuten, die mit Valdivia beim Kartenspiel saßen, weil er dachte, die würden sein Gnadengesuch für Escobar unterstützen. Er irrte sich gründlich. Valdivia konnte vor Zeugen nicht einlenken, und seine Kartenkumpane gaben ihm obendrein recht; sie hätten an seiner Stelle genauso entschieden.
    Also sprach ich unter dem Vorwand, das Neugeborene sehen zu wollen, im Zelt von Juan Gómez und Cecilia vor. Die Inkaprinzessin ruhte, schöner denn je, zwischen weichen Kissen und wurde von ihren Dienerinnen umschwärmt. Eine knetete ihr die Füße, eine andere kämmte ihr das kohlschwarze Haar, eine dritte träufelte Lamamilch aus einem Lappen in den Mund des Säuglings. Mit verklärtem Blick betrachtete Juan Gómez die Szene, als stünde er vor der Krippe des Jesuskinds. Neid durchzuckte mich: Was hätte ich darum gegeben, an Cecilias Stelle zu sein! Ich beglückwünschte die junge Mutter, gab dem Kleinen einen Kuß, dann nahm ich den Vater am Arm und führte ihn nach draußen. Ich berichtete ihm, was geschehen war, und bat ihn um Hilfe.
    »Ihr seid der Profos, Don Juan. Tut etwas, bitte.«
    »Ich kann mich dem Befehl von Don Pedro de Valdivia nicht widersetzen«, sagte er mit einem hilflosen Blick zum Himmel.
    »Ich schäme mich, das zu sagen, Don Juan, aber Ihr schuldet mir einen Gefallen …«
    »Doña Inés, bittet Ihr mich darum, weil Euch an dem Soldaten Escobar in besonderer Weise gelegen ist?«
    »Was fällt Euch ein? Ich würde Euch für jeden in diesem Lager darum bitten. Ich kann nicht zulassen, daß Pedro sich derart versündigt. Und kommt mir nicht mit militärischer Disziplin, wir wissen beide, daß es

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