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Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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pure Eifersucht ist, die ihn treibt.«
    »Was schlagt Ihr vor?«
    »Es liegt in Gottes Hand, sagt der Kaplan. Könnten wir der nicht ein wenig nachhelfen?«
    Am nächsten Morgen rief Don Benito nach der Messe die Leute auf dem Hauptplatz des Lagers zusammen, wo noch der Galgen stand, an dem der unglückliche Ruiz sein Ende gefunden hatte. Nur den Strick hatte man ausgetauscht. Zum ersten Mal war auch ich zugegen, obwohlich es bisher stets vermieden hatte, bei Züchtigungen und Hinrichtungen zuzusehen; die brutalen Attacken der Indios und das Leid der Verwundeten und Kranken, um die ich mich kümmern mußte, waren mehr als genug für mich. Ich trug unsere Señora del Socorro im Arm, weil alle sie sehen sollten. Die Hauptleute bezogen in einem Viereck Aufstellung um den Galgen, in zweiter Reihe standen die einfachen Soldaten und weiter hinten die Aufseher und die Masse der Yanaconas, Dienstmädchen und Buhlen. Nachdem er mit seinem Anliegen bei Pedro de Valdivia auf taube Ohren gestoßen war, hatte der Kaplan den Rest der Nacht betend zugebracht. Er sah grünlich fahl aus und hatte dunkle Ringe um die Augen wie immer, wenn er sich gegeißelt hatte, obwohl die Mädchen versicherten, seine Hiebe seien lachhaft, und was ein echter Peitschenhieb ist, das wußten sie genau.
    Ein Ausrufer und ein Trommelwirbel kündeten vom Beginn der Hinrichtung. Juan Gómez trat vor und erklärte in seiner Eigenschaft als Profos, der Soldat Escobar habe in schwerwiegender Weise gegen die Disziplin verstoßen, er sei heimtückisch in das Zelt des Generalhauptmanns eingedrungen und habe wider dessen Ehre gehandelt. Mehr Erklärungen brauchte es nicht, keiner zweifelte daran, daß der Junge seine kindische Verliebtheit mit dem Leben bezahlen würde. Die beiden schwarzen Henker führten den Verurteilten auf den Platz. Escobar ging ohne Ketten, aufrecht wie eine Lanze, ruhig, den Blick fest nach vorn gerichtet, als schritte er im Traum. Er hatte darum gebeten, sich waschen zu dürfen, hatte sich rasiert und trug saubere Kleidung. Vor dem Kaplan kniete er nieder, der spendete ihm die Letzte Ölung, gab ihm den Segen und reichte ihm das Kreuz zum Kuß. Die Henker führten Escobar die Stufen zum Galgen hinauf, banden ihm die Hände auf den Rücken und die Knöchel aneinander, und legten ihm den Strick um den Hals. Daß man ihm die Kapuze überzog, ließ er nicht zu, ich glaube, er wollte mit dem Blick auf mich sterben undPedro de Valdivia damit die Stirn bieten. Ich hielt seinen Blick fest und versuchte ihm Trost zu sein.
    Beim zweiten Trommelwirbel öffneten die Henker die Luke unter den Füßen des Verurteilten, und der fiel ins Leere. Totenstill war es unter den Leuten, einzig die Trommeln schwiegen nicht. Eine Ewigkeit, wie mir schien, baumelte Escobar am Galgen, während ich betete und immer verzweifelter betete und das Bildnis der Jungfrau an mich preßte. Und dann geschah das Wunder: Mit einem Knall riß der Strick, der Junge stürzte ohne Halt und blieb wie tot am Boden liegen. Ein überraschter Schrei entfuhr vielen Kehlen. Weiß wie eine Altarkerze trat Pedro de Valdivia drei Schritte vor, wollte seinen Augen nicht trauen. Doch ehe er den Henkern einen Befehl geben konnte, war der Kaplan schon mit hoch erhobenem Kreuz in die Mitte getreten und rief, nicht minder überrascht als die Umstehenden:
    »Ein Gottesurteil! Ein Gottesurteil!«
    Wie eine heranrollende Woge hörte ich erst das Murmeln, dann das stürmische Rufen der Indios, das gegen die Mauer der spanischen Soldaten brandete, bis der erste von ihnen sich bekreuzigte und ein Knie auf die Erde senkte. Unverzüglich tat ein zweiter es ihm nach, ein dritter, bis schließlich alle außer Pedro de Valdivia knieten. Ein Gottesurteil …
    Der Profos Juan Gómez schob die Henker zur Seite und löste eigenhändig den Strick von Escobars Hals, schnitt ihm die Fesseln an Händen und Füßen durch und half ihm aufzustehen. Nur ich allein sah, daß er den Strick einem Indio in die Hand drückte und der damit in der Menge verschwand, bevor jemand auf die Idee kommen konnte, ihn sich genauer anzusehen. Juan Gómez war mir nichts mehr schuldig.
    Escobar wurde nicht freigelassen. Seine Strafe wurde in Verbannung umgewandelt, er würde entehrt nach Peru zurückkehren müssen, zusammen mit einem einzigenYanacona und zu Fuß. Sollte er den feindlichen Indios im Tal entgehen, so war ihm der Tod in der Wüste sicher, und er würde wie eine verdorrte Mumie offen liegen, ohne Begräbnis. Mit anderen

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