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Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Worten, es wäre barmherziger gewesen, ihn zu hängen. Eine Stunde später verließ er erhobenen Hauptes und so gefaßt, wie er auf den Galgen zugegangen war, das Lager. Die Soldaten, die ihn noch Tage zuvor bis zur Weißglut gepiesackt hatten, bildeten respektvoll ein Spalier, und er schritt langsam hindurch und sagte ihnen stumm, nur mit Blicken Lebewohl. Viele waren den Tränen nah, voller Reue und beschämt. Einer gab ihm seinen Degen, ein anderer eine kurze Streitaxt, ein dritter führte ein Lama zu ihm, das mit einigen Taschen und Wasserschläuchen bepackt war. Ich war auf mein Pferd gestiegen, beobachtete alles von weitem und rang mit meinen feindseligen Gefühlen gegen Pedro de Valdivia, die mir die Kehle zuschnürten. Als der Junge den Rand des Lagers schon erreicht hatte, holte ich ihn ein, stieg aus dem Sattel und gab ihm das einzig Wertvolle, was ich besaß: mein Pferd.
    Sieben Wochen blieben wir im Tal von Copiapó, wo zwanzig weitere Spanier zu uns stießen, darunter zwei Ordensbrüder und ein gewisser Chinchilla, ein aufrührerischer und schändlicher Mensch, der vom ersten Tag an mit Sancho de la Hoz Pläne zu Valdivias Ermordung schmiedete. De la Hoz hatte man die Fußfesseln abgenommen, er bewegte sich, herausgeputzt und duftend, ungehindert im ganzen Lager und lauerte auf eine Möglichkeit, sich am Generalhauptmann zu rächen, aber Juan Gómez behielt ihn im Auge. Von den hundertfünfzig Männern, die unserer Expedition jetzt angehörten, waren nur neun keine Edelleute, die übrigen waren Söhne des Landadels oder verarmter Aristokratenfamilien, aber Edelleute waren sie allemal. Valdivia behauptete zwar, das habe nichts zu bedeuten, weil es in Spanien Edelleute wie Sand am Meer gab, aber ichglaube, daß diese Gründerväter dem Königreich Chile ihre Überheblichkeit vermacht haben. Die hochfahrende Art der Spanier mischte sich mit der unbezähmbaren Art der Mapuche, und heraus kam ein Menschenschlag, der bis zur Unvernunft stolz ist.
    Nach der Verbannung Escobars dauerte es Tage, bis im Lager wieder Ruhe einkehrte. Die Leute waren aufgebracht, ihr Zorn war fast mit Händen zu greifen. Die Soldaten gaben mir die Schuld: Ich hatte den unschuldigen Jungen verlockt, hatte ihn verführt, ihn um den Verstand gebracht und in den Tod getrieben. Ich, die schamlose Konkubine. Pedro de Valdivia hatte nur seine Pflicht getan und seine Ehre verteidigt. Noch lange danach spürte ich ihren Grimm wie eine Verbrennung auf der Haut, so wie ich zuvor ihre Lüsternheit gespürt hatte. Catalina riet mir, im Zelt zu bleiben, bis die Wogen sich geglättet hätten, aber es gab zuviel zu tun mit den Vorbereitungen für die Weiterreise, und so blieb mir nichts übrig, als mich den Schmähungen zu stellen.
    Pedro war mit der Eingliederung der frisch eingetroffenen Soldaten und mit Gerüchten über eine neuerliche Verschwörung beschäftigt, fand aber die Zeit, seine Wut an mir auszulassen. Falls er erkannte, daß er in seinen Rachegelüsten gegen Escobar zu weit gegangen war, so gab er das niemals zu. Schuldgefühle und Eifersucht schürten seine Begierden, ständig sollte ich ihm zu Willen sein, selbst am hellichten Tag. Er unterbrach seine Pflichten oder verließ die Unterredungen mit seinen Hauptleuten, um mich vor aller Augen in unser Zelt zu schleifen, und so gab es niemanden im Lager, der nicht mitbekommen hätte, was vorging. Valdivia kümmerte das nicht, ja er tat es absichtlich, wollte seine Macht demonstrieren, mich demütigen und dem Gerede die Stirn bieten. Nie waren unsere Vereinigungen derart grob gewesen. Pedro tat mir weh und bildete sich ein, ich würde das genießen. Ich sollte vor Schmerz stöhnen, wenn ich es schon nicht vor Lust tat. Wie es Escobars Strafe war,sein Leben in der Wüste zu lassen, so war es meine, das Los einer Dirne zu erleiden. Weil ich dachte, Pedros Hochmut müsse irgendwann abkühlen, ertrug ich die Mißhandlung, soweit ich das konnte, aber nach einer Woche war meine Geduld erschöpft, und anstatt ihm zu Willen zu sein, als er mich wie ein Hund besteigen wollte, versetzte ich ihm eine schallende Ohrfeige. Ich wußte nicht, wie mir geschah, mir war die Hand ausgerutscht. Im ersten Moment waren wir beide vor Schreck wie gelähmt, und dann brach der böse Bann, unter dem wir gestanden hatten. Kleinlaut drückte Pedro mich an sich, und ich zitterte am ganzen Leib und fühlte mich nicht weniger schuldig als er.
    »Was habe ich getan!« flüsterte er. »Wo sind wir bloß hingekommen?

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