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Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Seite wich, irgendein Kunststück beibringen, oder mich bat, den Verband an seinem verletzten Arm zu wechseln oder ihm zu zeigen, wie man Maisbrei bereitete, weil seine beiden Mädchenangeblich nichts taugten, Escobar fand immer einen Vorwand, um in meiner Nähe zu sein.
    Für Pedro war Escobar kaum mehr als ein Kind, und ich glaube nicht, daß er sich Gedanken über ihn machte, ehe die Soldaten die ersten Witze über den Jungen rissen. Sobald denen aber klar wurde, daß Escobar weniger schlüpfrige als romantische Gefühle für mich hegte, ließen sie ihn nicht mehr in Frieden und piesackten ihn, bis ihm in seiner Hilflosigkeit die Tränen kamen. Über kurz oder lang mußte auch Pedro davon Wind bekommen, und der quälte mich nun mit verfänglichen Fragen, spionierte mir nach und stellte mir Fallen. Er schickte Escobar, um mir bei Arbeiten zur Hand zu gehen, die Sache der Mädchen waren, und der entrüstete sich nicht über den Befehl, wie es jeder andere Soldat getan hätte, sondern kam ihm eifrig nach. Oft erschien er in meinem Zelt, weil Pedro ihm auftrug, etwas zu holen, wenn er wußte, daß ich allein dort war. Wahrscheinlich hätte ich Pedro sofort zur Rede stellen sollen, aber ich wagte es nicht, weil die Eifersucht ihn in ein Monstrum verwandelte und er auf den Gedanken hätte verfallen können, ich besäße insgeheim Gründe, Escobar zu schützen.
    Dieses teuflische Spiel, das bereits bald nach unserem Aufbruch in Tarapacá begonnen hatte, geriet während der schrecklichen Durchquerung der Wüste, als niemandem der Sinn nach Kindereien stand, in Vergessenheit, wurde jedoch im lieblichen Tal von Copiapó nur um so heftiger wieder aufgenommen. Die leichte Verletzung an Escobars Arm hatte sich entzündet, obwohl wir sie ausgebrannt hatten, und ich mußte häufig danach sehen und den Verband wechseln. Als ich schon fürchtete, zu drastischen Mitteln greifen zu müssen, wies Catalina mich darauf hin, daß das Fleisch nicht schlecht roch und der Junge kein Fieber hatte. »Nun, bloß eben immer kratzen, Herrin, siehst du das nicht?« sagte sie. Ich wollte nicht glauben, daß Escobar sich die Krusten von der Wunde pulte, nur damit er einenVorwand hatte, sich von mir behandeln zu lassen, aber ich begriff doch, daß es Zeit war, mit ihm zu reden.
    Die Nacht zog herauf, und überall im Lager erklang Musik: die Lauten und Flöten der Soldaten, die schwermütigen Rohrflöten der Indios, die Trommeln der Aufseher. An einem der Feuer stimmte Francisco de Aguirre in seinem warmen Tenor ein Schelmenlied an. Durchs Lager wehten die Wohlgerüche der einzigen warmen Mahlzeit des Tages, es duftete nach gegrilltem Fleisch, nach Maiskolben und in der Glut gebackenen Tortillas. Wie so oft war Catalina bei Einbruch der Dunkelheit verschwunden, und ich war allein im Zelt mit Escobar, dem ich eben die Wunde gereinigt hatte, und mit Baltasar, der Zutrauen zu dem Jungen gefaßt hatte.
    »Ich fürchte, wenn das nicht bald besser wird, müssen wir Euch den Arm abschneiden«, sagte ich ohne Vorwarnung.
    »Ein einarmiger Soldat ist nichts wert, Doña Inés«, brachte er, fahlgeworden, heraus.
    »Ein toter Soldat noch weniger.«
    Ich bot ihm ein Glas Chicha aus Kaktusfeigen an, damit er sich von seinem Schreck erholen und ich Zeit gewinnen konnte, denn ich wußte nicht, wie ich die Sache ansprechen sollte. Schließlich entschied ich mich dafür, offen zu sein:
    »Mir ist nicht entgangen, daß Ihr mich sucht, und da das für uns beide sehr unangenehm werden kann, wird sich von nun an Catalina um Euren Arm kümmern.«
    Und da, als hätte er nur darauf gewartet, daß jemand die Tür zu seinem Herzen einen Spaltbreit aufstieße, überschüttete Escobar mich mit Geständnissen und einem Schwall von Liebeserklärungen und Treueschwüren. Ich wollte ihn erinnern, wen er vor sich hatte, aber er ließ mich nicht zu Wort kommen. Er zog mich heftig und so unglücklich an sich, daß ich im Zurückweichen über den Hund stolperte und Escobar mit zu Boden riß. Auf jeden anderen, der mich so bedrängt hätte, wäre der Hund losgegangen, aber diesenJungen kannte Baltasar gut, er hielt alles für ein Spiel und sprang freudig bellend um uns herum. Ich bin kräftig und zweifelte nicht daran, daß ich allein mit dem Jungen fertig werden würde, deshalb schrie ich nicht. Nur ein gewachstes Stück Stoff trennte uns von den Leuten draußen, ich wollte jeden Aufruhr vermeiden. Mit dem verletzten Arm drückte Escobar mich an sich, stützte mit der freien Hand

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