Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
entkommen wie ein unsichtbarer Lufthauch.
Im Schneckentempo krochen wir voran, damit die schwer bepackten Träger, die Fohlen und anderen Tierkinder nicht den Anschluß verloren. Wegen seiner scharfen Augen und seines nie wankenden Muts ritt Rodrigo de Quiroga stets voraus. Die Nachhut wurde von Villagra gesichert, den Pedro zu seinem Stellvertreter ernannt hatte, und von Aguirre, der immer für ein Scharmützel mit den Indios zu haben war. Ihm gefiel der Kampf nicht weniger als die Frauen.
Eines Tages preschte ein Bote Quirogas uns entgegen und schrie schon von weitem: »Die Indios! Sie kommen!«
Valdivia schickte mich mit den anderen Frauen und den Tieren zu einem mehr oder minder geschützten Platz zwischen Felsblöcken und Bäumen und stellte seine Streiter in Schlachtformation auf, aber nicht in der bewährten spanischen Ordnung, drei Fußsoldaten auf einen Reiter, denn unsere Soldaten waren fast alle beritten. Wenn ich beritten sage, so mag man an eine stattliche Schwadron aus hundertfünfzig Reitern denken, die es mit zehntausend Angreifern hätte aufnehmen können, aber tatsächlich waren die Pferde durch die Mühen des Marschs klapperdürr geworden, den Reitern hing die Kleidung in Fetzen vom Leib, ihre Rüstungen saßen schlecht, die Helme waren zerbeult und die Waffen rostig. Sie waren tapfer, aber undiszipliniert und hochmütig; ein jeder jagte dem eigenen Ruhm nach. »Warum tun sich Spanier so schwer damit, einer unter vielen zu sein? Am liebsten wären alle Generäle!« beklagte sich Valdivia oft. Außerdem waren uns nur wenige Yanaconas geblieben, und die waren mit ihren Kräften am Ende und wegen der erlittenen Mißhandlung voller Groll, stellten keine große Hilfe dar und kämpften nur ums nackte Überleben.
Pedro setzte sich wie immer an die Spitze, obwohl seineHauptleute ihn beknieten, auf der Hut zu sein, weil ohne ihn alles verloren wäre. Mit dem Ruf »Sankt Jakob, hilf, und auf sie!«, mit dem die Spanier über die Jahrhunderte des Kampfs gegen die Mauren ihren Schutzpatron angerufen hatten, lenkte er sein Pferd in die erste Linie und gab seinen Arkebusieren ein Zeichen. Die senkten ein Knie auf die Erde und brachten die geladenen Büchsen in Anschlag. Don Benito hatte Valdivia davon berichtet, daß die Chilenen in der Schlacht ins offene Messer laufen, weder Schilde noch sonst einen Schutz verwenden und gleichgültig sind gegen den Tod. Die Arkebusen fürchten sie nicht, die ja doch viel Lärm um fast nichts sind, einzig vor den Hunden weichen sie zurück, weil die sie im Blutrausch lebendigen Leibes verschlingen. In Massen drängen sie den spanischen Klingen entgegen und werden niedergemacht, während ihre Waffen aus Holz und Stein gegen die Rüstungen der Spanier nichts vermögen. Solange die Huincas im Sattel sitzen, sind sie unbesiegbar, werden sie jedoch vom Pferd gezerrt, sind sie des Todes.
Wir waren noch nicht vollständig kampfbereit, da hörten wir das unerträgliche Kriegsgeschrei, das den Angriffen der Indios vorausgeht, ein markerschütterndes Kreischen, mit dem sie sich selbst bis zur Raserei anstacheln und ihre Feinde in lähmende Angst zu versetzen suchen, aber bei uns erreichen sie nur das Gegenteil damit: Es schürt unseren Zorn. Rodrigo de Quirogas Schar gelang es noch eben, sich Valdivias Trupp anzuschließen, dann fluteten unsere Feinde von den umliegenden Hügeln. Es waren Tausende und Abertausende. Sie stürmten fast nackt heran, schwangen Pfeile und Bogen, Spieße, Keulen und Steinäxte und brüllten in wilder Vorfreude auf die Schlacht. Die Arkebusen krachten und rissen Lücken in die ersten Reihen, aber in unvermindertem Lauf drängten die nächsten nach. Schon konnte man die Kriegsbemalung auf ihren Gesichtern erkennen, und der Kampf Mann gegen Mann begann. DieLanzen der Unseren durchbohrten die lehmfarbenen Leiber, die Schwerter hieben Köpfe und Glieder ab, die Knochen der Gestürzten krachten unter den Hufen der Pferde. Kamen die Indios nah genug heran, hieben sie dem Pferd ihre Keulen über den Kopf, und sobald dem Tier die Beine wegknickten, griffen zwanzig Hände nach dem Reiter und zerrten ihn zu Boden. Helm und Rüstung boten wenige Augenblicke Schutz, und manchmal konnte ein Kamerad dem Gestürzten zu Hilfe eilen. Die Pfeile, die unnütz an Kettenhemden und Rüstungen abprallten, waren verheerend, wenn sie den Soldaten an einer ungeschützten Stelle trafen. Im Taumel und Getöse der Schlacht fochten unsere Verwundeten wie taub gegen den Schmerz und den
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