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Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Toten, und wir mußten die blutiggierigen Hunde an die Kette legen, sonst wären sie auch über unsere Verwundeten hergefallen. Die Neger schritten das Schlachtfeld ab, töteten die verwundeten Chilenen und schafften dann die Unseren zu mir. Ich wappnete mich für das, was bevorstand: Über Stunden würde das Tal widerhallen von den Schreien derer, die wir verarzten mußten. Catalina und ich wurden kaum fertig damit, die Pfeile aus dem Fleisch zu ziehen und die Wunden auszubrennen – eine widerwärtige Tätigkeit. Es heißt ja, man gewöhne sich an alles, aber das stimmt nicht, ich gewöhnte mich nie an die gellenden Schreie. Selbstheute, im Alter, da ich auf ein Leben im Dienst an Kranken und Verwundeten und auf die Gründung des ersten Hospitals von Chile zurückblicke, klingen mir diese Schreie aus Kriegstagen noch in den Ohren. Könnte man die Wunden mit Nadel und Faden schließen wie Risse im Stoff, die Behandlung wäre erträglicher, aber einzig das Feuer verhindert, daß der Verletzte verblutet oder die Wunde fault.
    Pedro hatte mehrere leichte Quetschungen und Schürfwunden, wollte sich aber nicht von mir behandeln lassen. Unverzüglich rief er seine Hauptleute zusammen und ließ sich Meldung über unsere Verluste machen.
    »Wie viele Tote und Verletzte?«
    »Don Benito hat eine böse Pfeilwunde am Bein. Ein Soldat ist gefallen, dreizehn sind leicht und einer schwer verletzt. Sie haben wohl über zwanzig Pferde gestohlen und etliche Yanaconas getötet«, erklärte Francisco de Aguirre, der im Rechnen keine Leuchte war.
    »Vier Neger und dreiundsechzig unserer Indios sind verletzt, viele davon schwer«, präzisierte ich. »Ein Neger und einunddreißig Indios sind tot. Zwei werden die Nacht wohl nicht überleben. Für die Verletzten brauchen wir Pferde, wir können sie nicht zurücklassen. Wenn sie nicht reiten können, müssen sie in Hängematten getragen werden.«
    »Für die nächsten Tage beziehen wir hier Lager. Hauptmann Quiroga, Ihr werdet fürs erste Don Benito als Oberfeldmeister vertreten«, ordnete Valdivia an. »Hauptmann Villagra, macht Euch ein Bild, wie viele Wilde gefallen sind. Ihr seid für die Sicherheit verantwortlich, der Feind wird gewiß früher oder später zurückkommen. Kaplan, Ihr kümmert Euch um die Bestattungen und Messen. Wir brechen auf, sobald Doña Inés das für möglich hält.«
    Obwohl Villagra Vorkehrungen traf, war unser Lager sehr verwundbar, denn im Tal bot sich kaum Deckung. Die chilenischen Indios hielten die umliegenden Hügel besetzt, gaben jedoch in den zwei Tagen, die wir blieben, keinLebenszeichen von sich. Don Benito erklärte uns, sie würden sich nach jeder Schlacht bis zur Besinnungslosigkeit betrinken und erst Tage später, wenn sie sich davon erholt hätten, wieder angreifen. Gott sei’s gedankt. Möge ihnen die Chicha nie ausgehen.

Viertes Kapitel

Santiago de la Nueva Extremadura,
1541–1543
    Schon von weitem erkannte Don Benito, der sich auf seiner grob gezimmerten Bahre aufgesetzt hatte, den Hügel Huelén, auf dem er bei seiner Expedition mit Diego de Almagro eigenhändig ein Kreuz aufgepflanzt hatte.
    »Dort! Dort ist der Garten Eden, nach dem ich mich seit Jahren sehne!« rief er, noch mit vom Fieber glasigen Augen, weil weder Catalinas Kräuter und Beschwörungen noch die Gebete des Kaplans die Pfeilwunde an seinem Bein bisher hatten kurieren können.
    Wir waren in ein liebliches Tal hinabgestiegen, in dem viele Eichen und andere, in Spanien unbekannte Bäume wuchsen – Quillaja, Peumo, Maiten, Coigüe, Canelo. Es war Hochsommer, doch die gewaltigen Berge am Horizont trugen eine Haube aus Schnee. In langen Ketten umrahmten sanfte, goldene Hügel das Tal. Pedro genügte ein Blick, um zu wissen, daß Don Benito recht hatte: sattblauer Himmel, glasklare Luft, üppige Wälder und fruchtbares Land, durch das sich sanfte Bäche und ein breiter Fluß schlängelten, der Mapocho; dies war der von Gott bezeichnete Ort für unsere erste Siedlung, denn nicht nur war er schön und freundlich, er entsprach auch den weisen Regeln, die Kaiser Karl V. für die Gründung von Städten in den Neuen Indien ausgegeben hatte: »Wählt zum Siedeln nicht Orte, die sehr hoch im Gebirge liegen, weil diese den Winden ausgesetzt und schwer zu erreichen und zu versorgen sind, noch Orte, die sehr tief liegen, weil diese Krankheit fördern; gründet in Gebieten mittlerer Höhe, die offen sind gegen die Winde von Nord und von Mittag; und so Gebirge oder Hänge vorhanden,

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