Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Blutverlust weiter, bis sie schließlich zusammenbrachen, jemand sie packte und zu mir schleifte.
Ich hatte ein winziges Feldlazarett eingerichtet, in dem meine Mädchen mir zur Hand gingen, und als Wachen einige getreue Yanaconas aufgestellt, denen daran lag, die Frauen und Kinder zu verteidigen, und außerdem Negersklaven, die fürchten mußten, gehäutet zu werden, wenn sie dem Feind in die Hände fielen, denn andernorts hatten die Indios das getan, um herauszufinden, ob die Farbe aufgemalt war. Mit allem, was an Lappen zur Verfügung stand, verbanden wir die Verwundeten, stillten ihre Blutungen mit Aderpressen oder brannten die Verletzung rasch mit glühenden Kohlen aus, und sobald die Männer sich wieder auf den Beinen halten konnten, gaben wir ihnen Wasser oder einen Schluck Branntwein, drückten ihnen ihre Waffen in die Hand und schickten sie zurück in die Schlacht. »Kleine Jungfrau, beschütz meinen Pedro«, flehte ich, wenn mich mein grausiges Geschäft einen Moment zu Atem kommen ließ. Der Wind wehte den Geruch von Pulver und Pferden zu uns her, der sich mit dem von Blut und versengtem Fleisch mischte. Die Sterbenden baten um die Beichte, aber der Kaplan und die beiden anderen Geistlichen waren inder Schlacht, also machte ich das Kreuzzeichen auf ihrer Stirn und sprach sie von ihren Sünden frei, damit sie in Frieden gehen konnten. Der Kaplan hatte mir erklärt, in der Not dürfe jeder Christ die Taufe oder das Sterbesakrament spenden, aber er war sich nicht sicher gewesen, ob das auch für eine Christin zutraf. Die Schmerzensschreie und das Todesstöhnen klangen mir in den Ohren, dazu das Kriegsgekreisch der Indios, das Wiehern der Pferde, das Krachen der Büchsen und das angstvolle Wimmern der Frauen, von denen viele ihre Säuglinge an sich drückten. Cecilia, sonst von ihren Dienerinnen umsorgt wie die Prinzessin, die sie war, stieg dies eine Mal in die Welt der Sterblichen herab und arbeitete Hand in Hand mit Catalina und mir. Diese kleine, zierliche Person bewies eine nie bei ihr vermutete Stärke. Ihre Tunika aus feinster Wolle war getränkt von fremdem Blut.
Es kam der Moment, da brach sich eine Horde unserer Feinde Bahn bis zu den Verwundeten. Ich wollte eben einen Pfeil aus dem Oberschenkel von Don Benito ziehen, den meine Helferinnen an Schultern und Beinen festhielten, da klang das Gekreisch plötzlich lauter und näher, und als ich den Blick hob, sah ich mich Auge in Auge mit etlichen Wilden, die mit erhobenen Keulen, Lanzen und Äxten zwischen den wenigen Wachen hindurch auf uns zu drängten. Ohne nachzudenken, packte ich mit beiden Händen das Schwert, das zu führen Pedro mir gezeigt hatte. Ich war entschlossen, unser winziges Lazarett nicht kampflos preiszugeben. An der Spitze der Angreifer lief ein Mann, der nicht mehr jung war. Sein Gesicht war bemalt, das Haar mit Federn geschmückt. Eine alte Schlachtnarbe zog sich über seine Wange von der Stirn bis zum Mund. Das wahrzunehmen blieb mir kaum ein Wimpernschlag Zeit, alles ging rasend schnell. Ich sehe es noch vor mir, wie wir uns böse anfunkeln und zornentbrannt mit einem gellenden Schrei aufeinander losgehen, er eine kurze Lanze schwingt und ichdas Schwert, das ich in beiden Händen halten mußte. Da, plötzlich, gibt er seinen Mitstreitern ein Zeichen, und die halten inne. Ich könnte es nicht beschwören, aber mir ist, als wäre ein feines Lächeln über dieses zerfurchte, erdfarbene Gesicht gehuscht, dann drehte der Alte sich um und war flink wie ein Junge hinter den Felsen verschwunden, noch ehe Rodrigo de Quiroga sich mit seinem Pferd einen Weg durch die Horde der Angreifer bis zu uns gebahnt hatte. Viel später sollte ich erfahren, daß der Alte der Kazike Michimalonko gewesen war.
»Warum hat er mich nicht angegriffen?« wollte ich von Quiroga wissen, als wir Tage später über den Vorfall sprachen.
»Weil er sich schämte, gegen eine Frau zu kämpfen.«
»Hättet Ihr denn genauso gehandelt, Don Rodrigo?«
»Selbstverständlich«, sagte er ohne Zögern.
Der Kampf dauerte mehrere Stunden, doch in der Hitze des Gefechts flogen sie dahin ohne einen Gedanken an das Morgen. Als es schon aussah, als müßten wir vor der Übermacht weichen, liefen die Indios plötzlich auseinander und verloren sich in den Hügeln, von denen sie gekommen waren; ihre Verletzten und Toten ließen sie liegen, nahmen jedoch die erbeuteten Pferde mit. Unsere Señora del Socorro hatte uns noch einmal gerettet. Das Schlachtfeld war übersät von
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