Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
die Messe war. Die Luft war angefüllt vom würzigen Duft geschnittenen Holzes.
Aguirre, Villagra, Alderete und Quiroga brachten unsere zerlumpte Streitmacht auf Vordermann, deren Disziplin unter der langen Reise arg gelitten hatte. Valdivia und der erfahrene Hauptmann Monroy, der sich eines gewissen diplomatischen Geschicks rühmen durfte, unternahmen den Versuch, sich mit den Bewohnern des Tals zu verständigen. Meine Aufgabe war es, die Gesundheit der Kranken und Verwundeten wiederherzustellen und das zu tun, was mir am meisten Freude bereitet: etwas zu gründen. Ich hatte Vergleichbares nie zuvor getan, aber kaum hatten wir den ersten Pfahl in die Erde am Hauptplatz gerammt, da wußte ich, daß ich meine Berufung gefunden hatte, und der bin ich bis heute treu geblieben; ich habe Hospitäler, Kirchen, Klöster, Wallfahrtskapellen, Pilgerkirchen und ganze Dörfer entstehen lassen, und wenn mein Leben hinreichte, würde ich noch für ein Waisenhaus sorgen, das in Santiago bitter nötig wäre, denn es ist eine Schande, wie viele Kinder hier elend in den Straßen leben, nicht besser als einst in der Extremadura. Dies Land ist fruchtbar, und was es hervorbringt, sollte für alle reichen.
Mit Eifer widmete ich mich den Aufbauarbeiten, die in der Neuen Welt Frauensache sind. Die Männer errichten bloß behelfsmäßige Dörfer, in denen sie uns mit den Kindern lassen können, während sie weiter ohne Unterlaßgegen die Bewohner dieser Landstriche Krieg führen. Vier Jahrzehnte Blutzoll, Opferbereitschaft und hartnäckige Mühe hat es gekostet, aus Santiago die blühende Stadt zu machen, die es heute ist. Ich habe die Zeit nicht vergessen, als diese Siedlung kaum mehr als ein Hüttendorf war, das wir mit Zähnen und Klauen verteidigten. Die Frauen und die fünfzig Yanaconas, die Rodrigo de Quiroga mir zugeteilt hatte, ließ ich Tische, Stühle, Betten und Webstühle zimmern, Matratzen ausstopfen, Öfen mauern, Tongeschirr brennen, Küchengerät fertigen, Schweinekoben, Koppeln und Hühnerställe zimmern, Kleidung nähen, Tischwäsche und Decken weben und vieles mehr herstellen, was für ein zivilisiertes Leben unabdingbar ist. Um Arbeitskraft und Lebensmittel zu sparen, richtete ich zu Anfang eine Gemeinschaftsspeisung ein, damit niemand ohne Essen bliebe. Einmal täglich wurde das Essen in großen Töpfen gekocht und an langen Tischen auf dem Hauptplatz aufgetragen, den Pedro Plaza de Armas nannte, obwohl wir keine einzige Kanone besaßen, um ihn zu verteidigen. Wir buken Empanadas, kochten Bohnen, Kartoffeln, Maisgerichte und Eintöpfe mit den Wildvögeln und Hasen, die unsere Indios erjagten. Manchmal brachten uns die Talbewohner Fische und Meeresfrüchte von der Küste, aber die rochen nicht gut. Jeder trug mit dem, was er hatte, zu den Mahlzeiten bei, genau wie Jahre zuvor auf dem Schiff von Manuel Martín. Das Gemeinschaftsessen förderte den Zusammenhalt der Leute und brachte die Unzufriedenen, wenigstens vorübergehend, zum Schweigen.
Viel Mühe verwandten wir auf die Hege unserer Tiere; nur zu besonderen Anlässen schlachteten wir eins der Hühner oder eine Gans, denn ich hatte mir in den Kopf gesetzt, die Gehege binnen eines Jahres zu füllen. Schweine, Hühner, Gänse und Lamas waren so wichtig wie die Pferde und gewiß weit wichtiger als unsere Hunde. Auf der Reise hatten die Tiere genauso gelitten wie wir Menschen, undso gab jedes Ei und jedes neugeborene Tierkind Anlaß zur Freude. Ich bereitete die vom Baumeister Gamboa festgelegten Saatflächen vor, um im Frühjahr Weizen, Gemüse, Beeren und sogar Blumen anbauen zu können, weil man ohne Blumen nicht leben kann; sie waren der einzige Luxus in unserem rauhen Dasein. Ich ahmte die Anbaumethoden und die Bewässerung der Indios im Tal nach, anstatt es so zu machen, wie ich es von den Pflanzungen in Plasencia kannte; bestimmt wußten die Menschen hier genau, wie ihr Boden beschaffen war.
Ich habe noch kein Wort über den Mais verloren, das indianische Korn, ohne das wir unmöglich hätten bestehen können. Für seinen Anbau muß der Boden nicht gejätet oder gepflügt werden, es genügt, die Äste der umstehenden Bäume zu schneiden, damit die Sonne die Saat ungehindert erreicht; ist keine Hacke zur Hand, nimmt man einen scharfkantigen Stein, um die Erde leicht einzuritzen, wirft die Samen hinein und überläßt sie sich selbst. Die reifen Kolben können über Wochen an der Pflanze bleiben, ohne zu faulen, bei der Ernte bricht man sie einfach von den
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