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Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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aufgenötigt hatte und er wohl keine Eltern mehr hatte. Pedro rief ihn zu sich, musterte ihn von Kopf bis Fuß und zeigte sich angetan, fühlte sich vielleicht erinnert, wie er selbst in diesem Alter gewesen war, ebenso glühend und trotzig. Als er merkte, daß der Junge ihn nicht verstand, schickte er nach einem Dolmetscher.
    »Sag ihm, er kann bei uns bleiben, wenn er Christ wird. Er soll Felipe heißen. Ich mag den Namen, hätte ich einen Sohn, würde ich ihn so nennen. Einverstanden?«
    Der Junge nickte. Pedro fügte an, sollte er ihn je bei einem Diebstahl erwischen, würde er ihn auspeitschen lassen und unverzüglich aus der Stadt jagen; und dabei dürfe er sich noch glücklich schätzen, jeder andere in der Stadt würde ihm die rechte Hand abhacken. Ob er das verstanden habe? Der Junge nickte wieder stumm, mit einer Miene, aus der weniger Furcht als Spott sprach. Ich bat den Dolmetscher, ihm einen Handel vorzuschlagen: Wenn er mir seine Sprache beibrachte, würde ich ihn Spanisch lehren. Felipe schien das nicht im geringsten zu locken. Da besserte Pedro das Angebot auf: Wenn er mir Mapudungu beibrachte, dürfe er sich fortan um die Pferde kümmern. Sofort trat ein Leuchten auf das Gesicht des Kleinen, und von diesem Momentan begegnete er Pedro mit Hochachtung und nannte ihn »Taita«, Vater. Mich redete er förmlich mit »Chiñura« an, was wohl »Señora« heißen sollte. So verblieben wir. Felipe entpuppte sich als guter Lehrer und ich mich als Musterschülerin; ihm ist es zu verdanken, daß ich als einzige Huinca in der Lage bin, mich unmittelbar mit den Mapuche zu verständigen, auch wenn es bis dahin noch fast ein Jahr dauern sollte. Wobei »mit den Mapuche verständigen« eine Wunschvorstellung ist, wir werden uns niemals verständigen, zu groß ist der angestaute Groll.
    Es war noch tiefer Winter, als zwei der Soldaten, die Pedro in Marga-Marga gelassen hatte, in gestrecktem Galopp die Stadt erreichten. Am Ende ihrer Kräfte, verwundet, von Regen und Blut triefend, glitten sie von ihren Pferden, die mit zittrigen Beinen dastanden, und berichteten keuchend, am Goldwaschplatz hätten sich die Indios des Michimalonko erhoben, viele Yanaconas getötet, alle Neger, fast alle Soldaten; nur sie beide hatten ihr Leben retten können. Von dem gewaschenen Gold war nicht ein Körnchen übrig. Auch in der Bucht von Concón hätten sie gewütet; der Strand sei übersät von zerstückelten Leichen, und das angefangene Schiff nichts als ein verkohltes Gerippe. Insgesamt hatten wir dreiundzwanzig Soldaten und eine unbestimmte Zahl Yanaconas verloren.
    »Verfluchter Michimalonko! Drecksindio! Wenn ich ihn in die Finger kriege, dann gnade ihm Gott!« brüllte Pedro.
    Er war seines Zorns noch nicht vollständig Herr geworden, da kehrten Villagra und Aguirre von einem Erkundungsritt zurück und bestätigten, was Cecilia schon seit Wochen von ihren Spioninnen zugetragen wurde: Tausende Indios sammelten sich im Tal. Sie kamen in kleinen Gruppen, bewaffnet, bemalt für den Krieg. Sie verbargen sich in den Wäldern, in den Hügeln, in Höhlen unter der Erde und selbst in den Wolken. Pedro entschied sich wieimmer dafür, sein Glück im Angriff zu suchen; zusammen mit vierzig Mann von erwiesenem Mut brach er bei Sonnenaufgang des nächsten Tages in schnellem Ritt auf, um in Marga-Marga und Concón ein Exempel zu statuieren.
    Uns in Santiago überkam ein Gefühl völligen Ausgeliefertseins. Es war, wie Francisco de Aguirre gesagt hatte: Wir waren im gottverlassensten Winkel der Welt und umringt von nackten Wilden. Kein Gold, kein Schiff – es war niederschmetternd. Der Kaplan rief zur Messe und wusch uns den Kopf mit einer Predigt über Glaube und Todesverachtung, doch den Mut der verängstigten Menschen vermochte er nicht zu heben. Sancho de la Hoz nutzte die aufgewühlte Stimmung und schaffte es, indem er Valdivia die Schuld an unseren Verlusten gab, die Zahl seiner Anhänger auf fünf zu erhöhen, unter ihnen der unselige Chinchilla, einer der zwanzig, die in Copiapó zu uns gestoßen waren. Angenehm war mir dieser Mensch nie gewesen, er war falsch und feige, aber ich hätte mir nie träumen lassen, daß er obendrein dumm wie Bohnenstroh war. Das Vorhaben war nicht neu – Valdivia ermorden –, nur daß die Verschwörer diesmal nicht auf die fünf gleichen Dolche zurückgreifen konnten, die gut verstaut in den Tiefen einer meiner Truhen lagen. Chinchilla war aber wohl restlos überzeugt von der Genialität ihres Plans, denn

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