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Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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lebten frei auf der heiligen Erde, und als die Inkas aus Peru kamen, schlossen sie sich zusammen, um sich zu verteidigen, und sie siegten, sie ließen die Inkas nicht über den Bío Bío, der aller Flüsse Mutter ist, aber seine Wasser färbten sich rot von Blut, und rot stand der Mond am Himmel. Und es verging die Zeit, und es kamen die Huincas auf denselben Wegen wie die Inkas. Sie waren viele, und sie stanken sehr, auf zwei Tage Entfernung konnte man sie riechen, und sie waren sehr diebisch, besaßen kein Zuhause und kein Land, nahmen sich, was ihnen nicht gehörte, nahmen sich auch die Frauen und wollten, daß die Mapuche und andere Stämme ihre Sklaven wären. Und die Krieger mußten sie vertreiben, aber viele starben, weil die Pfeile und Lanzen nicht durch die Huincakleider aus Metall drangen, die Huincas aber töteten aus der Ferne mit viel Lärm und mit ihren Hunden. Aber vertrieben wurden sie doch. Die Huincas gingen fort, weil sie feige waren. Und etliche Sommer verstrichen und etliche Winter, und andere Huincas kamen, und diese, sagte der alte Toqui, diese wollen bleiben, sie schneiden die Bäume, sie bauen ihre Rucas, sie säen ihren Mais und schwängern unsere Frauen, und deshalb werden Kinder geboren, die keine Huincas sind und keine Menschen der Erde.
    »Und unser Späher sagt, sie wollen die ganze Erde besitzen, von den Vulkanen bis zum Meer, von der Wüste bis dorthin, wo die Welt zu Ende ist, und sie wollen viele Dörfer bauen. Sie sind grausam, und ihr Toqui Valdivia ist sehr schlau. Und ich sage, die Mapuche hatten nie mächtigere Feinde als diese Bärtigen, die von weither kamen. Noch ist es nur ein kleiner Stamm, aber es werden mehr kommen, denn sie haben Häuser mit Flügeln und fliegen über das Meer. Und ich bitte jetzt die Menschen, daß sie sagen, was zu tun ist.«
    Ein zweiter Toqui trat vor, schwang seine Waffen, sprang hoch und stieß einen Zornesschrei aus und verkündete, er sei bereit, die Huincas anzugreifen, sie zu töten, ihr Herz zu essen, um ihre Macht zu erlangen, ihre Rucas niederzubrennen, ihre Frauen zu rauben, nichts sonst könne getan werden, alle müßten sterben. Als er geendet hatte, nahm ein dritter Toqui seinen Platz in der Mitte des Runds ein und erklärte, gegen diesen Feind müßten alle Stämme vom Volk der Mapuche sich zusammenschließen und einen Ñidoltoqui bestimmen, Toqui der Toquis für den Krieg.
    »Vatergott Ngenechén, wir bitten dich aufrechten Herzens, hilf uns, daß wir die Huincas besiegen, daß wir sie müde machen, ihnen keine Ruhe gönnen zum Schlafen und Essen, ihnen Furcht einjagen, sie ausspähen, ihnen Fallen stellen, ihnen die Waffen abnehmen, ihre Schädel mit unseren Keulen zermalmen, darum bitten wir dich, Vatergott.«
    Der erste Toqui ergriff erneut das Wort und sagte, sie sollten sich nicht überstürzen, müßten geduldig kämpfen, die Huincas seien wie Unkraut: Wird es geschnitten, bricht es mit neuer Kraft hervor; dieser Krieg werde ihr Krieg sein, der Krieg ihrer Kinder und der Kinder ihrer Kinder. Viel Blut der Mapuche und viel Blut der Huincas müsse fließen, bis ein Ende sei. Die Krieger hoben ihre Waffen, und der Chor der zustimmenden Rufe wollte lange nicht verstummen: »Krieg! Krieg!« Da setzte der feine Regen aus, dieWolkendecke riß auf, und vor dem Stückchen Himmelsblau zog prächtig ein Kondor seine Bahn.
    Ende August begriffen wir, daß unser erster Winter in Chile zu Ende ging. Das Wetter besserte sich, und die jungen Bäume, die wir in den Wäldern ausgegraben und entlang unseren Straßen gepflanzt hatten, waren grün überhaucht von Knospen. Hart waren die vergangenen Monate gewesen, die Feindseligkeit der Indios und die Ränke des Sancho de la Hoz hatten uns zu schaffen gemacht, und oft hatte uns ein Gefühl der Einsamkeit befallen. Wir fragten uns, was in der übrigen Welt vorgehen mochte, ob es neue spanische Eroberungen gab, neue Erfindungen, wie es um unseren König und Kaiser stand, der nach den letzten Nachrichten, die vor Jahren Peru erreicht hatten, nicht recht bei Verstand war. Der Schwachsinn floß in den Adern dieser Familie, man mußte nur an seine unglückliche Mutter denken, die Wahnsinnige von Tordesillas.
    Von Mai bis Ende August waren die Tage kurz gewesen, schon gegen fünf war es dunkel geworden, und die Nächte hatten kein Ende nehmen wollen. Wir nutzten noch den letzten Schimmer Tageslicht, um zu arbeiten, danach scharten sich alle – Herrschaft, Dienstboten, Hunde, sogar das Geflügel aus den

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