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Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Wochen weg, weil er nicht nur die Arbeit am Goldfluß regeln mußte, sondern auch mit dem Bau einer Brigantine beginnen wollte, um eine Verbindung nach Peru herzustellen; wir konnten nicht weiter in Gesellschaft von nackten Wilden im gottverlassensten Winkel der Welt hocken, wie Francisco de Aguirre sich auszudrücken pflegte. Pedro fand eine gut geeignete Bucht mit einem breiten, hellen Sandstrand und Wäldern ringsum, deren gesundes Holz dem Wasser widerstehen würde. Die Einheimischen nannten den Strand Concón, und dort ließ Pedro den einzigen seiner Männer zurück, der über vage nautische Kenntnisse verfügte, und mit ihm eine Handvoll Soldaten und etliche Aufseher und Indios, von denen einige aus Michimalonkos Kontingent stammten.
    »Habt Ihr einen Bauplan für das Schiff, Herr Gouverneur?« wollte der angebliche Fachmann wissen.
    »Wollt Ihr etwa behaupten, Ihr braucht einen Plan, das ist doch ein Kinderspiel!«
    »Ich habe nie zuvor ein Schiff gebaut, Exzellenz.«
    »Dann betet, daß es schwimmt, mein Freund, denn Ihr werdet bei der Jungfernfahrt an Bord sein«, verabschiedete sich der Gouverneur, der sehr zufrieden war mit seinem Vorhaben.
    Zum erstenmal begeisterte ihn der Gedanke an das Gold, weil er sich ausmalte, wie die Spanier in Peru Augen machen würden, wenn sie erfuhren, daß Chile nicht so armselig war, wie es immer geheißen hatte. Mit seinem eigenen Schiff würde er eine Probe der Goldfunde schicken, das würde für Aufsehen sorgen, neue Siedler anlocken, und Santiago würde die erste von vielen blühenden und reich bewohnten Städten sein. Wie versprochen, ließ er Michimalonko frei und bezeigte ihm beim Abschied den größten Respekt. Der Toqui preschte auf seinem neuen Pferd davon und verkniff sich wahrscheinlich das Lachen.
    Von einem seiner Missionierungsausflüge, die bisher nicht von Erfolg gekrönt gewesen waren, weil sich die Eingeborenen im Tal gegenüber den Vorzügen des Christentums überraschend dickfellig zeigten, kehrte der Kaplan González de Marmolejo mit einem kleinen Jungen zurück. Er hatte ihn mutterseelenallein am Ufer des Mapocho gefunden, ein dünnes Kerlchen, verdreckt und blutverkrustet. Anstatt das Weite zu suchen, wie es die Indios für gewöhnlich taten, wenn der Geistliche in seiner speckigen Soutane und mit hocherhobenem Kreuz bei ihnen auftauchte, war der Kleine ihm gefolgt wie ein Hund und hatte stumm, mit glühenden Augen jede seiner Bewegungen beobachtet. »Fort mit dir! Kusch!« hatte der Geistliche ihn zu verscheuchen versucht und gedroht, ihm das Kreuz über den Schädel zu ziehen. Aber es war nichts zu machen, der Junge blieb ihm bis nach Santiago auf den Fersen. Weil er sichnicht anders zu helfen wußte, brachte der Geistliche ihn zu mir.
    »Was soll ich mit ihm, Pater? Ich habe keine Zeit, mich um kleine Kinder zu kümmern«, wehrte ich mich, weil ich mein Herz um keinen Preis an ein Kind unserer Feinde hängen wollte.
    »Dein Haus ist das beste in der Stadt, Inés. Der arme Kleine wäre hier gut aufgehoben.«
    »Aber …!«
    »Was sagen die Gebote des Herrn? Du sollst dem Hungrigen dein Brot brechen und den Nackten kleiden«, fiel er mir ins Wort.
    »Dieses Gebot ist mir zwar neu, aber wenn Ihr es sagt …«
    »Laßt ihn die Schweine und Hühner hüten, er ist ein braves Kind.«
    Zwar dachte ich bei mir, der Geistliche könne sich des Jungen ebensogut selbst annehmen, schließlich hatte er ein Haus und eine Mätresse und hätte ihn zum Kirchendiener machen können, aber ich verdankte dem Kaplan viel und konnte ihm die Bitte schlecht abschlagen; immerhin gab er mir Unterricht. Ich hatte schon ohne Hilfe eins der drei Bücher von Pedro gelesen, Amadís , eine Geschichte von Liebe und Abenteuer. An die anderen wagte ich mich noch nicht, im Cantar del Mío Cid ging es nur um Schlachten, und Enchiridion Militis Christiani von Erasmus war ein Handbuch für Soldaten, das mich kein bißchen interessierte und noch dazu auf lateinisch war. Der Kaplan besaß etliche weitere Bücher, die bestimmt ebenfalls von der Inquisition verboten waren und die ich eines Tages zu lesen hoffte. Also blieb der Junge bei uns. Catalina wusch ihn, und wir konnten sehen, daß er gar nicht mit Blut, sondern mit Schlamm und Lehm verdreckt war; von einigen Schrammen und blauen Flecken abgesehen, war er wohlauf. Wir schätzten ihn auf elf oder zwölf Jahre, er war so dünn, daß man seine Rippenzählen konnte, aber kräftig, und seine schwarze Haarmähne starrte vor Dreck. Er hatte

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