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Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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fast nichts an. Als wir ihm ein Amulett abnehmen wollten, das er an einem Lederriemen um den Hals trug, wehrte er sich kratzend und beißend. Ich hatte alle Hände voll zu tun, deshalb vergaß ich den Jungen bald, aber Catalina erinnerte mich zwei Tage später an ihn. Sie sagte, er habe sich nicht von dem Gehege weggerührt, wo wir ihn gelassen hatten, und auch nichts gegessen.
    »Was machen wir mit ihm, Mamita?«
    »Besser, er geht zurück zu den Seinen.«
    Ich sah nach ihm, fand ihn im Hof, wo er, wie in Holz geschnitzt, reglos am Boden hockte und mit seinen schwarzen Augen auf die Hügel jenseits des Flusses starrte. Die Dekke, die wir ihm gegeben hatten, hatte er weit von sich geworfen, offenbar gefielen ihm die Kälte und der winterliche Nieselregen. Mit Zeichen versuchte ich ihm klarzumachen, daß er gehen konnte, aber er rührte sich nicht.
    »Nun, er wird nicht gehen wollen. Wird bleiben wollen«, seufzte Catalina.
    »Dann soll er eben bleiben.«
    »Und wer wird den Wilden bewachen, Herrin? Diebisch und faul sind diese Mapuche.«
    »Er ist doch noch ein Kind, Catalina. Er wird schon weggehen, hier hat er nichts verloren.«
    Ich hielt dem Jungen einen Maisfladen hin, und er zeigte keine Regung, als ich ihm aber eine Kalebasse mit Wasser reichte, nahm er sie in beide Hände und trank sie in schmatzenden Schlucken aus wie ein Wolf.
    Entgegen meiner Vermutung blieb er bei uns. Wir kleideten ihn in einen Poncho und eine Männerhose, die wir ihm um die Hüfte eng schnüren mußten, bis wir etwas Passendes für ihn genäht hatten, schnitten ihm die Haare und entlausten ihn. Ab dem dritten Tag aß er mit Bärenappetit, und bald bewegte er sich von dem Gehege weg und streifte durch das Haus und später durch die Stadt wie einefriedlose Seele. Für die Menschen hatte er weniger übrig als für die Tiere, die gutmütig zu ihm waren; die Pferde fraßen ihm aus der Hand, und selbst die schärfsten, auf die Hatz von Indios abgerichteten Hunde begrüßten ihn mit einem Schwanzwedeln. Zu Anfang schickte man ihn überall weg, wollte niemand einen so sonderbaren kleinen Mapuche unter seinem Dach dulden, selbst der Kaplan nicht, der mir so eindringlich die Pflichten eines Christenmenschen gepredigt hatte, aber bald gewöhnte man sich an ihn, er verschwand in der Dienerschar und ging, stets leise und aufmerksam, in den Häusern ein und aus. Meine Mädchen gaben ihm Süßigkeiten, und selbst Catalina fand sich, wenn auch grummelnd, mit ihm ab.
    Endlich kehrte Pedro zurück, erschöpft zwar und zerschlagen von dem langen Ritt, aber überaus zufrieden, denn er brachte die ersten Goldproben mit, einige Körner von ansehnlicher Größe, die aus dem Fluß gewaschen worden waren. Ehe er seine Offiziere zusammenrief, faßte er mich um die Taille und führte mich zu unserer Bettstatt. »Du bist wirklich die Frau meines Herzens, Inés«, seufzte er unter Küssen. Er roch nach Pferd und Schweiß, war mir nie schöner erschienen, nie stärker, nie mehr der Meine. Er gestand mir, er habe mich vermißt, immer härter komme es ihn an, sich von mir zu trennen, und sei es für wenige Tage, er träume dann schlecht, habe böse Vorahnungen, Furcht, mich nie mehr wiederzusehen. Ich zog ihm die Kleider aus wie einem Kind, wusch ihn mit einem feuchten Lappen und küßte eine nach der anderen seine Narben, von dem wulstigen Hufeisen an seiner Hüfte über die unzähligen Kriegsschrammen an seinen Armen und Beinen bis zu dem kleinen Stern an seiner Schläfe, einer Erinnerung an einen Sturz als kleiner Junge. Wir liebten uns mit einer gemächlichen und unverbrauchten Zärtlichkeit wie zwei alte Leutchen. Pedro war so gerädert von diesen beiden anstrengenden Wochen, daß er zahm wie ein Schulbub alles mit sich machen ließ. Ich saßauf ihm, ließ uns Zeit, damit er in aller Ruhe genießen konnte, betrachtete seine edlen Züge im Schein der Kerze, die hohe Stirn, die lange Nase, den weiblichen Schwung seiner Lippen. Er hatte die Augen geschlossen und lächelte sanft, war hingegeben, wirkte jung und verletzlich, hatte nichts von dem kampferfahrenen und ehrbegierigen Mann, der Wochen zuvor an der Spitze seiner Soldaten aufgebrochen war. Einmal in dieser Nacht war mir, als sähe ich die Silhouette des Mapuchejungen in einer Ecke des Raums, aber vielleicht gaukelten mir die Schatten das vor.
    Am nächsten Morgen, als er von seinem Treffen mit dem Rat zurückkehrte, fragte mich Pedro nach dem kleinen Wilden. Ich erklärte ihm, daß der Kaplan ihn mir

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