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Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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ihreToquicuras, vor die Brust, steckten sich Federn von Reiher, Nandu und Kondor ins Haar, während die Machis duftende Kräuter verbrannten und den Rewe vorbereiteten, einen behauenen Baumstamm, der als Leiter zu Ngenechén dienen würde.
    »Wir bringen dir vom Muday dar, so will es der Brauch, um den Geist der Erde zu nähren, unseren stetigen Begleiter. Ngenechén hat den Muday geschaffen, er hat die Erde geschaffen, die Winterrinde, das Zicklein und den Kondor.«
    Die Frauen flochten sich farbige Wollschnüre ins Haar, himmelblaue die ledigen, rote die verheirateten, streiften ihre besten Umhänge über und legten ihren Silberschmuck an, während die Kinder, die schon festlich gekleidet waren, sich still und ernst in einem Halbkreis auf die Erde hockten. Die Männer formierten sich, standen wie ein einziger Leib aus Holz, hochfahrend, kraftstrotzend, das schwarze Haar von schmalen gewebten Bändern gehalten, die Waffen in Händen.
    Mit den ersten Sonnenstrahlen begann die Zeremonie. Die Krieger liefen durch das Rund, stießen Schreie aus, schwangen ihre Waffen, und die Trommeln und Rohrflöten vertrieben die Kräfte des Bösen. Die Machis töteten einige Guanakos, nachdem sie die Erlaubnis der Tiere erbeten hatten, ihr Leben dem göttlichen Herrn darzubringen. Sie netzten die Erde mit Blut, rissen die Herzen der Tiere heraus, bliesen Tabakrauch darüber, schnitten sie in kleine Stücke und verteilten diese an Toquis und Dorfoberste; so empfingen sie gemeinsam mit der Erde die Kommunion.
    »Herr Ngenechén, dies ist das reine Blut der Tiere, dein Blut, Blut, das du uns gibst, auf daß wir lebendig seien und uns regen können, Vatergott, deshalb bitten wir dich mit diesem Blut um deinen Segen.«
    Die Frauen stimmten einen dunklen, schwermütigen Gesang an, die Männer traten in die Mitte des Runds undtanzten, stampften langsam und schwer mit den nackten Füßen die Erde zum Takt der Trommeln und Flöten.
    »Und dir, Mutter der Menschen, entbieten wir unseren Gruß. Erde und Menschen sind nicht zu trennen. Was der Erde widerfährt, widerfährt auch den Menschen. Mutter, wir bitten dich, gib uns die Pinie, die uns erhält, wir bitten dich, schicke nicht viel Regen, denn es faulen die Saat und die Wolle, und wir bitten dich, laß den Boden nicht beben und die Vulkane nicht speien, denn das Vieh wird starr vor Angst, und die Kinder erschrecken sich.«
    Nun traten auch die Frauen in den Kreis und tanzten zusammen mit den Männern, warfen die Köpfe herum, schwangen die Arme, die Umhänge ausgebreitet wie die Schwingen großer Vögel. Bald wurden die Menschen eins mit dem Klang der Musik, dem Stampfen der Füße auf dem feuchten Grund, und einem nach dem anderen entfuhr ein tiefes Grollen, das endlich zu einem einzigen gedehnten Schrei wurde, zu einem »Oooooooooom – Ooooooooom«, das über den Hügel hallte und den Geist bewegte. Niemand entrann dem Zauber dieses »Ooooooooooom«.
    »Wir bitten dich, Vatergott, in diesem Land, das unseres ist, daß du uns beistehst, wann immer es dir beliebt, und bei dem, was uns jetzt widerfährt, bitten wir dich geradeheraus, erhöre uns. Wir bitten dich, Vatergott, laß uns nicht allein, zeig uns den Weg, wenn wir in der Dunkelheit tastend vorangehen, gib unserem Arm große Stärke, damit wir das Land unserer Väter verteidigen.«
    Musik und Tanz hielten inne. Die Strahlen der Morgensonne drangen durch die Wolken und überhauchten den Nebel mit goldenem Staub. Mit einem Pumafell über den Schultern trat der älteste der Toquis vor und ergriff als erster das Wort. Einen ganzen Mondenlauf war er gewandert, um seinen Stamm hier zu vertreten. Es war keine Eile. Er begann mit dem, was am längsten zurücklag, erzählte die Geschichte der Schöpfung, als die Schlange Cai-Caidas Meer aufgewühlt hatte und die Wellen die Mapuche zu verschlingen drohten, aber da wurden sie gerettet von der Schlange Treng-Treng, die sie auf die höchsten Gipfel führte und diese höher und immer höher wachsen ließ. Und der Regen war so viel, daß, wer die Gipfel nicht zu erklimmen vermochte, in den Fluten ertrank. Und dann gingen die Wasser zurück, und die Männer und Frauen lebten in den Tälern und den Wäldern und vergaßen nicht, daß die Bäume und die Sträucher und die Gräser und die Tiere ihre Brüder sind und man sie hegen muß, und wer Äste für ein Dach schneidet, dankt dafür, und wer ein Tier tötet, um zu essen, bittet es um Verzeihung, und nie tötet man, um zu töten. Und die Mapuche

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