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Infam

Infam

Titel: Infam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Ablow
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dem Überfall auf mich am Mass General? Anderson kannte meinen Terminplan besser als sonst irgendjemand. War es möglich, dass ich eine Frau für mich gewann, nach der er sich so sehr verzehrte, dass er mich ihretwegen ermorden lassen würde? War der Brief, den Julia geschrieben hatte, an ihn gerichtet gewesen?
    Ich konnte mir zwar nicht vorstellen, dass die Notwendigkeit dazu bestand, doch ich tastete trotzdem nach der Browning Baby in meiner Tasche, während ich den Flur hinunter auf den Ausgang zum Helikopterlandeplatz zuging.
    Doch so weit kam ich nicht. Als ich einige Meter vor dem Ausgang an einer offenen Tür zu meiner Rechten vorbeiging, hörte ich Anderson meinen Namen rufen. Ich spähte in den mit polierten Edelstahl-Seziertischen voll gestellten Raum. Auf einem von ihnen saß Anderson. Vorsichtig trat ich ein.
    Anderson starrte zur Decke, schüttelte den Kopf, dann sah er mich an. »Ich würde es so gern erklären, aber ich kann nicht«, sagte er. »Es ist einfach passiert. Ich hätte niemals …«
    »Es ist einfach passiert …«, setzte ich an, doch im nächsten Augenblick platzte mir der Kragen. »Ich wollte nichts mit diesem verdammten Fall zu tun haben!«, schrie ich. »Dieser Fall war das Letzte, was ich gebraucht habe! Verstehst du? Du hast mich da hineingezogen.« Die Nähte zerrten an meinen Eingeweiden. Ich schloss die Augen und rang nach Atem, während der Schmerz langsam verebbte. »Warum zum Teufel hast du mir nichts davon gesagt?«
    »Ich hab’s versucht, auf meine Art«, sagte er. »Ich hab dich immer wieder gewarnt, du sollst dich von ihr fern halten.«
    »Das ist nicht dasselbe, wie mir zu sagen, dass du mit ihr zusammen warst«, hielt ich dagegen.
    »Ich war nie mit ihr
zusammen
«, sagte Anderson und hob beide Hände. »Wir sind darauf zugesteuert – vielleicht. Ich kann nicht einmal sagen, ob es je so weit gekommen wäre.« Er ließ seine Hände auf seine Schenkel sinken. »Ich kann dir erzählen, was genau passiert ist.«
    Ich starrte ihn an.
    »Ich habe sie etwa einen Monat, nachdem ich den Posten hier angenommen hatte, kennen gelernt. Das ist jetzt knapp anderthalb Jahre her. Sie und Darwin haben eine Wohltätigkeits-Party für das Pine Street Inn gegeben, das Obdachlosenasyl in Boston. Sämtliche hohen Tiere aus dieser Gegend waren gekommen, einschließlich aller Lokalpolitiker. Ich war neu in der Stadt, also hab ich vor der versammelten Mannschaft eine kurze Rede über meine Pläne für die Polizeiarbeit auf der Insel gehalten. Drei, vier Wochen später hat sie mich angerufen und gemeint, sie wolle sich mit mir darüber unterhalten, wie man etwas für die Jugendlichen auf den Inseln tun könnte, die Drogenprobleme haben … vielleicht so eine Art Bürgerinitiative gründen.«
    Ich musterte ihn argwöhnisch. »Sie hat dich angerufen?«
    »Ich weiß, dass das nicht entschuldigt, was passiert ist.« Er hielt einen Augenblick inne. »Zu Hause liefen die Dinge damals nicht besonders gut. Vielleicht war es nur eine dieser Phasen, die alle verheirateten Paare durchmachen, jedenfalls hatten Tina und ich eine schwere Zeit. Wir haben kaum noch miteinander geredet, dafür haben wir uns umso mehr gestritten. Außerdem hatte ich plötzlich Bedenken, ob der Umzug hierher wirklich eine gute Idee gewesen war. Eine Zeit lang war ich ziemlich durcheinander deswegen.«
    »Warum?«, fragte ich. Selbst in meinem Zorn war ich außerstande, nicht den Therapeuten zum Vorschein kommen zu lassen.
    »Weil ich Baltimore geliebt habe. Die Stadt war ein Teil von mir. Ich bin wegen des ganzen Mists hergekommen, den du und ich während des Lucas-Falls durchgemacht hatten, und weil ich dachte, dass es hier besser – sicherer, sauberer, schöner – für Tina und Kristie wäre.«
    Ich war nicht bereit, ihn so leicht vom Haken zu lassen. »Julia hat dich also angerufen. Was war dann?«
    »Nachdem wir uns ein- oder zweimal auf einen Kaffee getroffen hatten, hat sie mir erzählt, wie unglücklich sie wäre. Und ich fing an, von dem zu erzählen, was mir auf der Seele lag. Wir sind zusammen spazieren gegangen, haben miteinander telefoniert.« Er senkte den Blick und seufzte. »Ich fühlte mich gut. Ehrlich. Zum ersten Mal seit langer Zeit. Sie sieht unbeschreiblich aus, und das war ganz sicher ein Teil der Anziehung. Aber es war mehr als das. Ihre Stimme, die Art, wie sie mich ansah, wie sie mir zuhörte … Ich dachte, ich hätte jemanden gefunden, der mir helfen könnte, mein Leben zu ändern.«
    Es gefiel mir

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