Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Infam

Infam

Titel: Infam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Ablow
Vom Netzwerk:
nicht, hören zu müssen, wie nahe Anderson sich Julia gefühlt hatte und wie sehr seine emotionale Erfahrung mit ihr der meinen glich. »Wann hast du das erste Mal mit ihr geschlafen?«, fragte ich, um den wehmütigen Blick aus Andersons Augen zu vertreiben. »Und wie hat es sich auf die Ermittlungen ausgewirkt?«
    Anderson kniff die Augen zusammen. Seine Züge verhärteten sich. »Nie, als Antwort auf deine erste Frage. Das würde ich nie zulassen, lautet die Antwort auf die zweite.«
    »Klar, und wer’s glaubt, wird selig, in dieser Reihenfolge«, knurrte ich.
    »Ich hab nie mit ihr geschlafen, Frank«, schnaubte Anderson aufgebracht. »Ich bin nicht
du

    Ich schüttelte den Kopf. »Nimm die Frau und diesen Fall und …« Ich wandte mich zum Gehen.
    »Warte doch«, rief er mir nach. »Es tut mir Leid. Das hätte ich nicht sagen dürfen.«
    Ich blieb stehen und drehte mich wieder um.
    »Na schön«, kapitulierte er. »Ich erzähle dir die ganze Geschichte. Meine … Beziehung mit Julia lief vielleicht zweieinhalb oder drei Monate, als Tina mir erklärt hat, sie wolle die Scheidung. Sie wusste nichts von Julia, konnte aber sehen, dass wir uns immer weiter auseinander lebten. Ich wollte es nicht zur Scheidung kommen lassen, also hab ich versucht, den Kontakt zu Julia abzubrechen, aber ich musste ständig an sie denken, wollte mit ihr reden, ihre Hand halten. Also hab ich mich weiter mit ihr getroffen.« Er verdrehte die Augen. »Zu mehr als einem Kuss kam es zwischen uns nie, Frank. Es hört sich vielleicht lächerlich an, aber mehr ist wirklich nicht passiert. Und willst du wissen, was das Merkwürdige daran war?«
    »Was?«
    »Irgendwie reichte es mir, sie zu umarmen und zu küssen. Es kümmerte mich nicht einmal, dass wir keinen Sex hatten. Ich wollte nicht das, was wir hatten oder was ich dachte, dass wir hatten, aufs Spiel setzen.« Er verstummte.
    Der traurige Unterton in Andersons Stimme entging mir nicht. »Du bist noch nicht über sie hinweg«, stellte ich fest.
    Er sah mir in die Augen. »Nein«, bestätigte er. »Ich denke, das werde ich auch nie sein.«
    »Dann war also deine Warnung, mich von ihr fern zu halten … was genau?«, fragte ich. »Eifersucht?«
    »Ein bisschen, vielleicht. Aber darum ging es nicht wirklich.« Er beugte sich vor. »Was ich gesagt habe, war mein Ernst. Ich wusste aus erster Hand, wie schwer es mir die Nähe zu ihr machte, in diesem Fall einen klaren Kopf zu bewahren. Ich wollte nicht, dass du auch deine Objektivität verlierst.«
    »Wie nobel«, sagte ich.
    Er ignorierte meine Bemerkung. »Da ist noch etwas anderes, das vielleicht seltsam klingt. Aber das, was ich für sie empfunden habe … was ich vielleicht immer noch für sie empfinde … ich bin nicht sicher, ob das überhaupt normal ist. Ich meine, keine Woche, nachdem ich mich das erste Mal mit Julia getroffen hatte, war ich bereits drauf und dran, meine Frau zu verlassen. Auch wenn du es mir wahrscheinlich nicht glaubst, aber ich habe mir Sorgen um dich gemacht. Deshalb hab ich dich so wegen deines Trinkens zusammengestaucht.«
    Ich hätte Anderson am liebsten entgegengeschleudert, dass er völligen Blödsinn daherredete, doch ein Teil von mir erkannte sich in seinen Worten wieder. Es war dasselbe Rätsel, vor dem ich in meiner Beziehung zu Julia stand: Wie hatten meine Gefühle für sie so schnell so übermächtig werden können? Warum war ich bereit, alles für sie zu tun, obwohl ich mir nicht einmal sicher war, wer sie eigentlich war? Warum hatte ich professionelle Grenzen überschritten, die ich immer als unantastbar betrachtet hatte?
    Ich sah Anderson an und versuchte abzuwägen, ob ich ihm je wieder würde trauen können. Auf all die Fragen, die mich gequält hatten, während ich den Flur hinuntergegangen war, hatte ich noch immer keine Antwort. Er könnte durchaus nach wie vor eine sexuelle Beziehung mit Julia haben und insgeheim wütend auf mich sein, weil ich ebenfalls mit ihr schlief. Die beiden könnten mich benutzen, um Darwin Bishop als Mörder hinzustellen. »War der Brief, den Claire Buckley uns gegeben hat, an dich gerichtet?«, fragte ich. »Bist du derjenige, an den Julia ihn schicken wollte?«
    »Ich glaube nicht«, antwortete Anderson.
    »Du
glaubst
nicht?«
    »Ich weiß es nicht genau, aber es war einfach nicht der Tonfall, der normalerweise zwischen uns herrschte«, erklärte er. »Der Stil ist viel blumiger. Dieser Brief hätte mich ehrlich aus der Bahn geworfen, wenn er an mich gerichtet

Weitere Kostenlose Bücher