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Infam

Infam

Titel: Infam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Ablow
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Uhr. Julia würde bald kommen. Ich musste dringend etwas schlafen, und wenn es nur für eine halbe Stunde war. Ich ließ mich in einen Gobelinsessel sinken, von dem ich Ausblick auf die Tobin Bridge hatte und den lautlosen, glühwürmchengleichen Verkehr genießen konnte, der sich in einem Bogen durch die Nacht zog, dann schloss ich die Augen und nickte tatsächlich ein.
    Zehn Minuten später klingelte das Telefon. Ein Blick auf die Rufnummernanzeige verriet mir, dass es North Anderson war, der mich vom Handy aus anrief. Ich nahm an, dass er sich über die Neuigkeiten unterhalten wollte, die Fields ihm über Bishops Fingerabdrücke mitgeteilt hatte. Ein Teil von mir hätte es am liebsten weiterklingeln lassen, doch ich wusste, dass dies keine Lösung war. Ich griff nach dem Hörer. »Frank hier«, sagte ich.
    »Wie geht’s dir?«
    »Gut«, erwiderte ich etwas steifer als geplant. »Und dir?«
    Er ignorierte die Frage. »Sie haben Billy erwischt«, teilte er mir mit. »Er will dich sehen.«
    »Sie haben ihn erwischt? Geht es ihm gut?«
    »Er ist erschöpft, aber ansonsten unversehrt, soweit ich höre. Er hat nicht viel gegessen und geschlafen.«
    »Wo haben sie ihn gefunden?«
    »In Queens. Auf dem La-Guardia-Flughafen«, antwortete Anderson. »Er wollte gerade in eine Maschine nach Miami einsteigen.«
    »Wie hat er es geschafft, von der Insel herunterzukommen, ohne der Polizei in die Arme zu laufen?«
    »Er hat sich wahrscheinlich sofort nach dem Einbruch abgesetzt.«
    »Ich komme mit der ersten Maschine nach New York«, sagte ich.
    »Bleib, wo du bist. Er ist auf dem Weg zu dir«, meinte Anderson. »Die State Police holt ihn mit einem Wagen ab und bringt ihn zum Bezirksgefängnis in Boston. Ich kann dir sofort eine Besuchserlaubnis beschaffen. Er ist offiziell in Untersuchungshaft, angeklagt des Mordes, versuchten Mordes und einer ganzen Latte minderschwerer Straftaten – Einbruch, schwerer Diebstahl, Verlassen des Gerichtsbezirks. Im Laufe des morgigen Tages wird eine Anklagejury entscheiden, ob ein Verfahren gegen ihn eröffnet wird. Wenn sie grünes Licht geben, wird Billy nach Erwachsenenrecht vor Gericht gestellt. Er könnte lebenslänglich bekommen.«
    »Hat er einen Anwalt?«, fragte ich.
    »Bislang nur einen, den das Gericht für ihn bestellt hat. Darwin Bishop war nicht bereit, für einen Anwalt zu zahlen, vorausgesetzt, er hätte überhaupt das nötige Kleingeld dazu. Ich dachte, du könntest vielleicht mit Julia reden. Vielleicht kann sie ja etwas arrangieren.«
    Ich konnte einen Ölzweig erkennen, wenn jemand damit vor meiner Nase wedelte. Anderson überließ mir Julia. »Ich werde ihr Carl Rossetti empfehlen«, sagte ich. »Er ist brillant. Und ich kenne ihn beinahe so lange wie dich. Wir können ihm vertrauen.«
    Anderson begriff, dass ich ihm die Hand der Freundschaft reichte. »Danke, Frank«, sagte er. Er ließ einen Moment verstreichen. »Billy wird jemanden wie Rossetti brauchen. O’Donnell und der Staatsanwalt sind beide überzeugt, dass sie ihren Mann haben. Sie werden Billy in der Presse als solches Ungeheuer hinstellen, dass er Staatsfeind Nummer eins sein wird, wenn es schließlich zur Verhandlung kommt.«
    Ihr
Mann
war zufällig noch immer ein Junge, dachte ich. Wenn man Kinder nach Erwachsenenrecht vor Gericht stellen konnte, warum machte man dann einem unreifen Fünfzigjährigen nicht als Jugendlichem den Prozess? Eine weitere Einbahnstraße, die der Bundesstaat angelegt hat. »Hast du schon mit Fields gesprochen?«
    »Ja. Es gibt eine Menge, das auf unseren alten Freund Darwin hinweist – das Negativ eingeschlossen –, aber es sind alles Indizienbeweise. So wie die Staatsanwaltschaft die Sache sieht, ist der Einbruch der springende Punkt. Wenn sie die Geschworenen überzeugen können, dass Tess’ Herzstillstand und Billys Einbruch zeitlich zu nahe beieinander liegen, um ein Zufall zu sein, dann haben sie praktisch schon gewonnen. Dass Billy aus dem Gerichtsbezirk geflohen ist, sieht auch nicht gerade gut aus.«
    »Nein. Tut es nicht«, pflichtete ich bei.
    »Sonst noch was Neues?«
    »Ich habe mit Julia über den Brief gesprochen«, sagte ich.
    »Was hat sie gesagt?«
    »Sie hätte ihn an ihre Therapeutin in Manhattan geschrieben. Dr. Marion Eisenstadt.«
    »Kannst du das überprüfen?«
    »Ich habe sie bereits angerufen«, sagte ich. »Sie wollte ohne schriftliche Einverständniserklärung von Julia nicht richtig mit der Sprache rausrücken, aber sie hat mir zumindest erzählt, sie

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