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Infam

Infam

Titel: Infam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Ablow
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ihren Nachnamen an, um die Beziehung möglichst professionell klingen zu lassen.
    Ein seltsam besorgter Unterton stahl sich in seine Stimme. »Sie ist vor einer Weile gegangen – kurz bevor das hier los gegangen ist«, sagte er.
    »Machst du dir immer noch Sorgen wegen ihr und dem Baby?«
    »Ich weiß es nicht. Aber ich habe mich ein-, zweimal dabei ertappt, dass ich an Caroline Hallisseys Einschätzung gedacht habe. Kurz gesagt, ich schätze, es kann nicht schaden, wenn der behandelnde Arzt hier unten eine Sitzwache rund um die Uhr anordnet.« Er räusperte sich. »Sehr wahrscheinlich war es nur ein kleiner Rückschlag. So etwas passiert. Ich hatte schon Patienten, die aussahen, als würden sie jeden Moment abgehen, bevor sie sich wundersamerweise wieder erholt und nie wieder das geringste Problem hatten.«
    »Oder es war doch nicht nur ein Rückschlag«, sagte ich halb zu mir selbst.
    »Es gibt jede Menge Arzneimittel, die die Atmung behindern können«, erklärte Karlstein. »Aktivan. Klonopin. Sie alle werden Menschen mit Depressionen häufig verschrieben.« Womit er Julia meinte. »Wir ordnen eine toxikologische Untersuchung von Tess’ Blut an, nur um ganz sicherzugehen.«
    »Das halte ich für angebracht«, pflichtete ich bei.
    »Ich wusste, du würdest mir zustimmen, Doc. Du kannst dich jederzeit nach ihr erkundigen«, sagte Karlstein. »Ich hoffe, ich kann bald gehen, aber ich werde Anweisung geben, dass sie dir Bescheid sagen, wenn es irgendeine Veränderung gibt. Du bist über den Pieper zu erreichen?«
    »Natürlich«, bestätigte ich.
    »Bestens«, sagte er.
    Wir legten auf. Es gefiel mir nicht, dass Julia die Station unmittelbar, bevor Tess’ Atemprobleme eingesetzt hatten, verlassen hatte. Karlstein gefiel es augenscheinlich auch nicht. Doch es gab keinen Grund zur Annahme, dass zwischen den beiden Geschehnissen ein kausaler Zusammenhang bestand. Zumindest noch nicht. Die toxikologische Untersuchung würde jegliches neue Medikament in Tess’ Blutkreislauf aufzeigen.
    Keine zwei Minuten später ertönte die Klingel an der Eingangstür. Ich ging zur Gegensprechanlage. »Hallo?«
    »Tut mir Leid, dass ich so spät komme«, sagte Julia. »Willst du mich noch immer sehen?«
    »Das weißt du doch«, erwiderte ich und ließ sie ein.
    Als sie die Wohnung betrat, wirkte Julia entspannter, als ich sie je gesehen hatte, was ich dahingehend interpretierte, dass sie das von Tess nicht gehört hatte und vermutlich auch nicht wusste, dass Billy verhaftet worden war. Ich hingegen war alles andere als entspannt. »Möchtest du einen Kaffee? Einen Drink?«, fragte ich, während ich in die Küche ging.
    Sie schlenderte durch die Wohnung und blieb schließlich vor dem Panoramafenster stehen, vor dem die Skyline von Boston leuchtete.
    »Kann ich dir etwas anbieten?«, erkundigte ich mich abermals.
    Langsam drehte sie sich um. Vor der Kulisse des nächtlichen Himmels mutete sie wie eine Göttin an. »Geh nur einfach mit mir ins Bett, ja?«, sagte sie auf eine erschöpfte, bedürftige Art, die trotz der Umstände das spontane Bedürfnis in mir weckte, ihr aus den Kleidern zu helfen.
    Ich suchte in ihrem Gesicht nach irgendeinem Anzeichen von Anspannung oder Angst, doch ich fand keines. War es auch nur im Entferntesten vorstellbar, dass sie gerade versucht hatte, ihre Tochter umzubringen? »Wir müssen reden«, erklärte ich.
    Sie atmete tief durch und setzte sich auf die Bettkante. »Ich habe dir alles über North erzählt, was es zu erzählen gibt«, sagte sie. »Aber frag nur.«
    »Es geht nicht um North.« Ich trat vor sie und streckte automatisch meine Hand aus, außerstande, körperliche Distanz zu wahren. Sie ergriff meine Hand, während ich mit einem Nicken auf die Couch deutete. »Komm, setzen wir uns da hin.«
    Die Mutter in Julia musste den Teil meiner Gedanken gelesen haben, der um Tess’ Atemprobleme kreiste – es sei denn, sie wusste bereits darüber Bescheid, weil sie sie selbst hervorgerufen hatte. »Stimmt etwas im Krankenhaus nicht?«, hauchte sie.
    »Nicht mehr«, erwiderte ich. »Es ist alles wieder in Ordnung.« Ich half ihr auf und führte sie zur Couch. Wir setzten uns dicht nebeneinander.
    »Es ist etwas passiert«, presste sie hervor. »Was? Sag es mir.«
    »Es ist alles in Ordnung. Ich habe auf der Beobachtungsstation angerufen, weil ich mit dir reden wollte. Stattdessen bekam ich Dr. Karlstein an den Apparat.«
    »Doktor …«
    »Er war dort, weil Tess Probleme mit der Atmung hatte.«
    Sie

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