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Infam

Infam

Titel: Infam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Ablow
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Geburtstagsfeier zurechtgemacht habe. Es war Sommer, und meine Mutter hat mir ein hellgelbes Kleid angezogen, das über und über mit kleinen weißen Schmetterlingen bestickt war. Ich vermute, man konnte durch den dünnen Stoff meine Unterwäsche sehen. Rosa Baumwollunterwäsche.« Sie verdrehte die Augen. »Ich weiß noch, wie mein Großvater mich mit diesem derart blöden Grinsen angesehen hat.« Ihre Hände ballten sich zu Fäusten. »Und dann hat er gesagt: ›Trag nur weiter Kleider, durch die man dein Höschen sehen kann, und alle Jungs werden dich anstarren. Ich würde es auf alle Fälle tun.‹«
    Er
würde es auf alle Fälle tun. Er würde auf das Unterhöschen seiner Enkelin starren. »Erinnern Sie sich daran, was Sie dabei empfunden haben?«, fragte ich.
    »Ich versuche, mir alles ins Gedächtnis zurückzurufen«, antwortete sie. »Weil Sie mir gesagt haben, ich solle mich den Bildern stellen und nicht vor ihnen weglaufen.« Sie hielt inne, um ihre Gedanken zu sammeln. »Ich glaube, zum Teil kam ich mir albern vor, weil ich nicht verstanden habe, wovon zum Teufel er geredet hat. Wen interessierte denn schon meine Unterwäsche? Aber die Art, wie er mich angesehen hat, sagte mir, dass ich etwas tat, das ihm gefiel, oder zumindest etwas, das seine Aufmerksamkeit erregte. Und ich war irgendwie stolz darauf, obwohl es mir gleichzeitig peinlich war.« Erneut schüttelte sie angewidert den Kopf. »Die Art, wie er
Höschen
sagte. Daran erinnere ich mich noch. Er hat das Wort gedehnt ausgesprochen, so als würde er es … auskosten.«
    Ich wollte, dass Lilly ihrem Ekel freien Lauf ließ, ihre emotionalen Wunden offen hielt, damit ihre Infektion abfließen konnte. »Das Wort hat ihm gefallen«, sagte ich. »Es hat ihn erregt.«
    Sie schloss die Augen. Statt wütender zu werden, errötete sie. »Wollen Sie etwas wirklich Seltsames wissen: Das gehört zu den Dingen, die meinem Mann auch gefallen. In den Flitterwochen hat er mich gebeten, mich anschauen zu dürfen, in … in meinem Slip.«
    »Haben Sie es ihm erlaubt?«, fragte ich.
    Sie nickte verlegen.
    »Er wollte Sie einfach nur ansehen, in Ihrem Slip?«
    Ihre Wangen wurden feuerrot. »Während ich mich selbst gestreichelt habe«, antwortete sie hastig.
    Ich hatte den Eindruck, dass wir erst den halben Weg zum Kern des Problems zurückgelegt hatten. Lilly hatte nicht ihren Mann dafür angegriffen, dass er ihren Körper bewundert hatte, sondern sich selbst, indem sie sich Schmutz injiziert hatte. Der Auslöser für ihre Pathologie war ihre Scham. »Was ist mit Ihnen?«, fragte ich. »Hat es Ihnen gefallen, als er Ihnen dabei zugeschaut hat? Während Sie sich selbst gestreichelt haben?«
    »Ich schätze schon. Ich meine, ich …« Sie brach mitten im Satz ab. »Sie wissen schon.«
    »Sie hatten einen Orgasmus«, sagte ich.
    »Aber dann, gleich danach, habe ich mich so geekelt«, gestand sie.
    »Okay«, sagte ich. Lillys Problem bestand darin, zwischen ihrer Sexualität als Erwachsene und den verwirrenden, verängstigten, widerlichen sexuellen Intimitäten zu unterscheiden, die sich mit Worten und Blicken zwischen ihr und ihrem Großvater abgespielt hatten. »Es braucht Zeit, genügend Abstand zu Ihren vergangenen Erfahrungen mit Ihrem Großvater zu gewinnen, um die gegenwärtigen mit Ihrem Mann genießen zu können. Sie müssen auf eine Menge von widersprüchlichen Emotionen vorbereitet sein. Und Sie müssen sich die Zeit zugestehen, sie auszuleben und zu überwinden.«
    »Aber werde ich das je schaffen?«, wollte sie wissen. »Werde ich sie je überwinden?«
    »Ja«, versicherte ich ihr.
    »Ich habe in Dr. James’ Praxis angerufen«, sagte sie. »Wir haben in einer Woche einen Termin.«
    »Das freut mich.« Ich war sehr zufrieden, dass sie sich tatsächlich an Ted gewandt hatte, während ich zugleich bedauerte, dass ich meine eigenen Therapiestunden mit ihm nicht fortgesetzt hatte. Er fehlte mir – sein klarer Verstand und seine ruhige Hand. Ich hätte gern seinen Rat in Bezug auf Julia gehört. »Er kann Ihnen helfen, mit jedem kleinen Stück, an das Sie sich erinnern. Sie können ihm rückhaltlos vertrauen.«
    »Ich werde es versuchen«, versprach sie. Die Art und Weise, wie sie mich ansah, zeigte mir, wie hilfsbedürftig und verletzlich sie noch immer war. »Kommen Sie noch einmal vorbei, bevor ich entlassen werde?«, fragte sie. »Die Ärzte haben gesagt, ich muss noch ein paar Tage hier bleiben. Es würde helfen, wenn ich wüsste, dass ich bis zu meiner

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