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Infam

Infam

Titel: Infam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Ablow
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schätze, du hast Recht.« Ich machte eine kurze Pause. »Sag mir, wo du bist. Ich komme hin.«
    »Nein. Ich kann auch nicht lange reden«, erklärte er. »Sie müssen mir etwas Geld leihen. Ich zahl’s Ihnen auch zurück. «
    Ich wollte die Sache möglichst ruhig angehen und Billy überreden, in die Klinik zurückzukehren, obgleich er zweifelsohne verhaftet werden würde. So riskant es für ihn sein mochte, die Klippen des Justizsystems zu umschiffen, es war bedeutend sicherer als das Leben auf der Straße. Und Billy war nicht der Einzige, der in Gefahr war; ich hatte nicht vergessen, dass er angesichts seines Hangs zur Gewalttätigkeit jeden Moment auf unberechenbare und äußerst destruktive Weise zuschlagen könnte. »Ich denke, es ist ein Fehler gewesen, dass du aus dem Payne Whitney abgehauen bist«, sagte ich. »Ich halte es für das Beste, wenn du wieder zurückgehst und dir einen Anwalt besorgst, der dich vertritt.«
    »Danke für den Ratschlag«, sagte er. »Werden Sie mir in meiner Zelle Gesellschaft leisten, wenn ich lebenslänglich in den Knast wandere?«
    »Sie müssen erst beweisen, dass du schuldig bist«, erwiderte ich.
    »Ich brauche Geld«, sagte er. »Das ist das Einzige, was ich im Moment brauche.«
    »Wo kann ich dich treffen?«
    »Wie ich schon sagte, das können Sie nicht. Es gibt da einen sicheren Ort, wo Sie es für mich hinterlegen können. Ich habe jemanden, der es abholen und mir bringen kann.«
    »Wo bist du?«
    »Kann ich das Geld haben?«, fragte er. »Sie wissen, dass ich Brooke nicht umgebracht habe. Sie
wissen
es.«
    Ein Unterton von Verzweiflung stahl sich in seine Stimme. Ich spekulierte darauf, dass er verzweifelt genug war, mir zu vertrauen. »Nur, wenn wir uns treffen können«, erklärte ich.
    »Unmöglich«, entgegnete er.
    »Mein Angebot steht, Billy. Nimm’s an, oder lass es sein.«
    Er schwieg einen Moment lang. »Ich weiß nicht mehr weiter«, sagte er schließlich. »Sie dürfen mich nicht hängen lassen, Doc. Ich verlasse mich auf Sie.«
    Ich schloss die Augen und stellte mir vor, wie beängstigend es für einen Sechzehnjährigen sein musste, ganz auf sich allein gestellt zu sein, mit der Aussicht, den Rest seines Lebens hinter Gittern zu verbringen. »Ich möchte ja nur, dass du mir ein Stück entgegenkommst. Du kannst das Geld haben, wenn wir uns treffen.«
    »Ist das alles? Das ist Ihre endgültige Antwort?«
    »So ist es.«
    »Dann haben Sie genauso viel Schuld an dem, was passieren wird, wie alle anderen«, sagte er verbittert.
    »Schuld – woran?«
    »Sie können es in der Zeitung nachlesen.« Er legte auf.
    »Billy!«, brüllte ich in den Hörer. Ich wählte *69, um die Verbindung wiederherzustellen, bekam aber nur die Standardansage zu hören, die Rückruf-Funktion sei nicht verfügbar. Ich knallte den Hörer auf die Gabel, sodass das Telefon krachend zu Boden fiel.
    Ich weiß nicht mehr weiter.
Ich starrte auf die Telefonschnur, die sich um eins der Tischbeine gewickelt hatte. Ich konnte förmlich den Anruf hören, den ich vor so vielen Jahren von Anne Saxon, einer Sozialarbeiterin des Jugendamts, erhalten hatte, nachdem man Billy Fisk erhängt in der Garage seiner Eltern gefunden hatte. Tage zuvor hatte Fisk sich an mich gewendet – zum letzten Mal, wie sich herausstellen sollte. Er hatte mir erzählt, wie unglücklich er zu Hause war, und mich gefragt, ob er bei mir wohnen könnte, was mir damals ganz und gar unmöglich erschienen war. Patienten ziehen einfach nicht bei ihren Psychiatern ein. Hätte ich jedoch gewusst, wie nahe er am Abgrund stand, hätte ich eingewilligt.
    Wiederholte sich das nun alles? Stellte Gott mich auf die Probe, um zu sehen, ob ich gelernt hatte, über meinen Schatten zu springen, um einen Menschen vor dem Absturz zu bewahren?
    Ich ging die Hand voll Nummern durch, die von meinem Anrufbeantworter registriert worden waren. Alle hatten die 508-Vorwahl, die Cape Cod und Nantucket einschloss. Die einzige Nummer, die ich wieder erkannte, war die von North Anderson. Ich vermutete, dass die anderen Anrufe von Billy stammten, der nach Hause geflohen war, statt davon wegzulaufen.
    Ich hörte Norths Nachricht ab, die nichts Dringendes enthielt, sondern nur die Bitte um Rückruf. Ich wählte seine Büronummer. Seine Sekretärin stellte mich durch.
    »Billy ist aufgetaucht«, teilte ich ihm mit.
    »Wie?«, fragte er.
    »Er hat mich angerufen und wollte sich Geld von mir leihen.«
    »Ich hoffe, er hat die Absicht, sich ein einfaches

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