Infanta (German Edition)
zugewandt, lag der Junge auf der gemeinsamen Matratze und schlief. Ihr Verhältnis konnte nicht besser sein. Sie hatte ihm eine Position in der Bude angeboten, als Manager, womit sie Ferdinands Posten meinte, und Jun-Jun dankte ihr mit der Erlaubnis, ihn nach Belieben zu streicheln. Doña Elvira wollte davon gerade Gebrauch machen, als es klopfte. Sie hüllte sich in ihren Morgenmantel, öffnete die Tür einen Spalt und erkannte sofort Kurt Lukas’ Tischdame wieder.
»Wollen Sie zu mir, Madam?«
»Ich suche das Büro des Besitzers.«
»Das habe ich auch schon gesucht.«
»Ich möchte ihn sprechen.« Elisabeth Ruggeri warf einen Blick in den Raum. »Ihre Garderobe?«
»Mein Salon. Nur gibt es keine Klimaanlage, Madam. Aber bitte« – sie zog die Tür auf –, »weil Sie eine Freundin von Mister Kurt sind.«
»Das denke ich nicht.«
»Sind Sie verheiratet?«
»Ich war es. Mein Mann ist tot.«
Doña Elvira seufzte anstandshalber. »Nach Ihrer Kleidung zu urteilen, sind Sie darüber hinweg. Bitte setzen Sie sich.«
Elisabeth Ruggeri setzte sich. Am ganzen Körper brach ihr der Schweiß aus. Die Sängerin reichte ihr etwas Klosettpapier. »Nur tupfen«, sagte sie, »nicht wischen. Jede Bewegung vermeiden. Sogar Schlafende bewegen sich kaum. Sehen Sie nur, wie still er daliegt. Jun-Jun. Der Parodist. Wir teilen uns die Kammer. Sie müssen leise reden, Madam. Er braucht seinen Schlaf. Wie Sie sicher gehört haben, ist in diesem Haus alles zu kaufen. Und Jun-Juns Dienste sind gefragt. Leider sieht er nur wenig von seinen Einnahmen. Aber dafür sieht er auch nie die Polizei. Der Mann, den Sie sprechen wollen, sorgt dafür, daß seine Angestellten nicht ausfallen.«
»Wo kann ich ihn suchen?«
»Sie können ihn nicht suchen. Sie können ihm nur begegnen. Ich selbst bin ihm erst einmal begegnet. Wir wickelten ein Geschäft ab in seinem Mercedes. Möchten Sie ein Bier?«
»Danke.«
»Wie ist Ihr Name? Meiner steht auf dem Dach.«
»Elisabeth Ruggeri. Aus Rom.«
»Aus Italien, wie alle schönen Frauen.«
»Sie finden mich schön?«
»Schöner als mich, Madam. Obwohl mir Kurt das Kompliment eines Besuchs in meiner Garderobe gemacht hat.«
»Er sagte mir, Sie hätten ein gutes Verhältnis.«
»Wir verbrachten ruhige Stunden. Haben Sie auch schon ruhige Stunden mit ihm verbracht?«
»Wir hatten einmal einen ruhigen Abend auf seiner Terrasse. Er wohnt sehr angenehm.« Elisabeth Ruggeri sah sich im Schminkspiegel. Sie zerfloß. »Das war letztes Jahr«, fügte sie hinzu und schob sich das verklebte Haar aus der Stirn. »Ist Pacificador überhaupt in der Stadt?«
Die Sängerin riß weitere Blätter von der Rolle und übergab sie einzeln. »Er ist im Haus, Madam. Aber für niemanden zu sprechen. Vielbeachtete Männer sind bei uns unerreichbar. Das gilt auch für vielbeachtete Frauen oder Mädchen. Wußten Sie, daß unser gemeinsamer Bekannter das am meisten beachtete Mädchen von Infanta erobert hat?«
»Sie heißt Mayla, nicht wahr?«
»Ja, eine Heilige.«
Elisabeth Ruggeri tupfte sich den Schweiß von Wangen und Hals. Sie holte ihr Schreibheft hervor.
»Eine Heilige, sagten Sie?«
»Gemessen an mir. Was schreiben Sie da?«
»Notizen für ein Buch. Es geht um Glück.«
»Würden Sie mir eine davon übersetzen?«
»Wenn Sie mir von Mayla erzählen.«
Doña Elvira brach eine neue Klorolle an. »Gern. Aber anschließend. Ich bin Geschäftsfrau, Madam. Nachdem Sie geredet haben, sage ich Ihnen alles, was Sie über Mayla wissen müssen.« Sie überreichte wieder Blätter. »Bedienen Sie sich. In unserem Land herrscht kein Mangel an Toilettenpapier.« Doña Elvira gab ihr die ganze Rolle und kniete sich dann neben den Jungen.
Elisabeth Ruggeri wählte die Notiz, die sie nach der Unterhaltung mit dem Kommandanten gemacht hatte, noch überrascht, daß Kurt Lukas im Land war. »Ich bin weit weg von zu Hause und allein. Ich schlafe schlecht und meide die Sonne. Da höre ich unerwartet und zufällig von einem Bekannten – er soll sich dort aufhalten, wo ich ihn nie vermutet hätte. In meiner Nähe. Und zum ersten Mal bin ich froh, daß es ihn gibt.«
»Das klingt schön«, sagte Doña Elvira. »Ich fürchte, Sie sind verliebt.«
»Sie wollten mir von Mayla erzählen.«
»Mayla ist Waise und Raucherin. Ein gieriges elternloses Rehkitz, Madam. Viele Jahre war sie das Hausmädchen von alten Missionaren. Seit neuestem ist sie Sekretärin unseres Bischofs, seine anmutige rechte Hand. Natürlich ist sie fromm, aber
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