Infanta (German Edition)
laut gelacht, so schön kam sie mir vor.«
Der Spielfilm wurde unterbrochen, die Landesfahne erschien. Dann folgten wacklige Bilder – Soldaten drängten sich in einem Dienstraum. Sie trugen Gewehre und wirkten erregt; ein Reporter tauchte auf. Der Chef des Generalstabs werde in wenigen Minuten eine Erklärung abgeben, sagte er. Kurt Lukas ging zum Bett. »Solltest du nicht schleunigst dorthin fahren?«
»Ich sollte diese Erklärung abwarten. Und du dich noch etwas auf mich einstellen. Für diese wenigen Minuten. Du warst dabei, von Mayla zu erzählen. Bisher erfuhr ich nur, daß sie zum Lachen schön sei.«
»Ich sagte, ich hätte fast laut gelacht, als ich sie zum ersten Mal sah.«
»Warum nur fast?«
»Wir saßen in einer Kirche.«
Kurt Lukas legte sich wieder hin. Elisabeth Ruggeri glitt an seine Seite. Sie streichelte ihm den Arm.
»Möchte Mayla dich bekehren?«
»Bekehren?« – er sah ihrer Hand zu – »Ich bin schon bekehrt.«
»Du glaubst an Gott?«
»Jedenfalls nicht mehr an mich.«
»Das wird wieder, Liebling« – Elisabeth Ruggeri wollte ihn küssen, aber der Stabschef erschien, mit Helm und bewaffnet. Er widerrief seinen Eid auf den Präsidenten und forderte alle Soldaten auf, sich hinter die Sache des Volkes zu stellen. Seine Männer und er seien ab jetzt in der Kaserne verschanzt, weitere Erklärungen gebe es erst nach dem Sieg. Werbung folgte. Elisabeth Ruggeri richtete sich auf. »Du kannst dich nun auf einen ganzen Nachmittag mit mir einstellen«, sagte sie und sah ihn an, als meine sie ein ganzes Leben.
Kurt Lukas schloß die Augen. Noch immer war da eine Hand auf seinem Arm, aber sie schien niemandem mehr zu gehören. Seine Gefühle für Elisabeth Ruggeri erloschen wie in einer Ohnmacht; er atmete auf, als das Telefon läutete. Es war Augustin. Ohne zu fragen, ob er richtig verbunden sei, redete der Novize drauflos, sprach von einem Entschluß, den er gerade gefaßt habe, und einer Briefbombe, die er mit sich herumtrage, von einem Handel, zu dem er bereit sei, und einer Stunde der Wahrheit. »Noch heute abend, vor der Revolution«, rief er durch den Hörer, »werde ich mir ein Mädchen nehmen, und du hilfst mir dabei. Genau um acht Uhr treffen wir uns vor dem Blue Angel Dampfbad in der oberen Pilar Road. Ich bringe dann einen Brief an dich mit, einen Brief von Mayla, und du begleitest mich dafür in dieses Bad. Wenn du nicht kommst, verbrenne ich den Brief.« Augustin klang wie ein entschlossener Selbstmörder, der seinen Sprung in die Tiefe bedroht sieht.
»Du wirst diesen Brief nicht verbrennen.«
»Wenn du kommst. Ich will nur etwas tun, was du seit vielen Jahren tust und wahrscheinlich im Moment gerade tust oder getan hast oder gleich tun wirst. Um acht Uhr vor dem Blue Angel Dampfbad.«
»Ich werde da sein«, sagte Kurt Lukas. Er legte auf und sah seinen Arm und drehte sich etwas. Elisabeth Ruggeri war gegangen; im Fernsehen lief wieder der alte Film mit dem jungen Rock Hudson.
D oña Elvira welkte. Sie saß in ihrer fensterlosen Kammer und trug aus Langeweile schon die Schminke für den Abend auf. Die italienische Erzählung, die ihr Dalla Rosa in die Hand gedrückt hatte, war längst gelesen, und sie hatte sich vorgenommen, nun auch den schwer wiegenden russischen Roman in Angriff zu nehmen. Falls sie wieder eingeladen würde von den Alten. Und falls sie unbeschadet zurückkäme; nie war ihr Temperament mehr gedämpft worden als in den letzten Nächten. Gewohnt, ganz Infanta wie eine Schleppe hinter sich herzuziehen, sah sie sich jetzt nur noch im Schatten der Tapferen Witwe, deren Ruhm von Stunde zu Stunde wuchs. Ohne einen Ton zu singen oder doch wenigstens ein einziges Mal mit den Hüften zu wackeln, stahl ihr diese Heldin die Schau; ein Persönchen, in dessen Stimme eine Härte mitschwang, die niemand zu bemerken schien, nicht einmal ihre Gegner. Doña Elvira wollte nach Hause, und obschon keine Flugzeuge flogen und inzwischen auch der Schiffsverkehr unterbrochen war, gab es Hoffnung. Ben Knappsack war aufgetaucht und hatte ihr anvertraut, daß er im Falle einer Revolution Arturo Pacificadors Maschine überführen müsse. Dabei solle der Anschein erweckt werden, der Ex-Gouverneur befinde sich an Bord, während dieser in Wahrheit auf einer Jacht vor den neuen Machthabern fliehe. Er werde schauen, hatte der Australier versprochen, daß sie mitfliegen könne. Ein tröstlicher Gedanke beim Zuschmieren ihrer unguten Stellen. Ein anderer Trost war Jun-Jun. Nackt und ihr
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