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Infanta (German Edition)

Infanta (German Edition)

Titel: Infanta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bodo Kirchhoff
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verzweigten Gedanken lockerte ihre Festung aus Regeln. Dalla Rosa tupfte sich die Stirn. »Kein schöner Anblick«, sagte er. »Nur Haut und Knochen.«
    »Weil sie ihn frißt, die Freiheit.«
    »Dazu kam sein Husten mit dem Gelächter am Ende.« Obwohl jeder auf der Station bemüht war, den ehemaligen Mitbruder nicht zu erwähnen, tauchte er doch regelmäßig in ihren Gesprächen auf. Immer wieder wußte der eine oder andere etwas über Wilhelm Gussmann zu berichten. »Jedenfalls lebt er«, bemerkte Pacquin und lehnte seinen Kopf an. Die beiden saßen in einem offenen Pavillon. Er stand am Rande des Grundstücks und war ganz aus Bambus. Dalla Rosa löste eine Rosine aus einem Bananenkuchen und schob sie sich schnell in den Mund. Er war auf dem Weg zur Post an Gussmanns Heftchenladen vorbeigekommen und hatte dem früheren Priester und dessen Gefährtin zugenickt. Flores hatte sich bekreuzigt, Gussmann nur den Hut gezogen und gehustet. Und so rasch er konnte, war Dalla Rosa in der Hitze weitergegangen, erst den Husten und dann das Gelächter im Rücken. »Dieses Gelächter«, fügte er seiner Erzählung hinzu, »wie ein Echo aus dem Abgrund.«
    »Jedenfalls lebt er«, wiederholte Pacquin und griff in den Kuchen. Der Superior sah nur noch Schemen. Seine Finger bohrten eine Rosine hervor, nicht zu tief eingebacken, damit er sie finde. Dachte er.
    Jeder der fünf glaubte Zeichen einer speziellen Zuneigung Maylas zu bemerken. In einem Strauß blauer Kreppmyrte auf dem Tisch entdeckte McEllis eine Anspielung auf seine Augen. Gab es Innereien, fühlte sich Dalla Rosa in seinem einsamen Genuß des Ulysses verstanden. Mehr als einmal Karotten in der Woche deutete Butterworth als liebevoll erdachte Therapie für sein bleiches Gesicht. Und geringen Variationen in der Zubereitung des Milchbreis entnahm Horgan ganze verschlüsselte Botschaften. Sie hatten nie über diese Dinge geredet, doch mit dem richtigen und zugleich falschen Instinkt aller Eifersüchtigen sofort gespürt, wenn sich einer von ihnen an etwas erfreute, das in Wahrheit weder für ihn noch für alle bestimmt war, sondern nur einer Tageslaune ihres Schützlings entsprang. Mayla war gerade vierzehn geworden und hatte Eltern und Geschwister verloren, als sie ihr Arbeit und Obhut anboten. Ein Armeetrupp hatte eine wilde Siedlung nach Rebellen durchkämmt, plötzlich waren Schüsse gefallen; sie und ein Mädchen namens Hazel, die spätere Tänzerin in Infantas berühmter Bude, waren am Leben geblieben. Gussmann, damals zuständig für wilde Siedler, hatte sich um Mayla gekümmert und sie den anderen schließlich vorgestellt. Bis zu ihrer Volljährigkeit wohnte sie im Haus der Gemeindeschwestern, dann zog sie mit Hazel zusammen. Nur wer nicht wußte, was beide verband, wunderte sich über das ungleiche Paar.
    Dalla Rosa stand auf und öffnete das Pavillontürchen.
    Die drei anderen kamen. McEllis schob Horgan, Butterworth schritt nebenher, eine Kanne mit Eistee in der Hand. Sie setzten sich und redeten kein Wort, solange sie brockten, kauten und tranken. Die Alten genossen ihre Teestunde, die nur stattfand, wenn es Kuchen gab. Mal hatte Mayla Lust zu backen, mal nicht; sie genossen auch ihre Abhängigkeit.
    »Er sah nicht gut aus«, begann Dalla Rosa von neuem, als sich der erste Spatz auf dem Tisch niederließ. Er erzählte noch einmal sein Vormittagserlebnis und sprach von einem Bild des Jammers, das der Hustende biete. »Eine Ruine«, sagte er, »die bald einstürzen wird; wer hätte das damals gedacht.« Dalla Rosa erinnerte an Gussmanns einstige Erscheinung, an sein straffes Gesicht, sein Lachen, seinen Gang, seine Mähne, bis Butterworth bemerkte, jetzt hätten sie ja wieder einen Gutaussehenden unter ihrem Dach. Einen, der tagsüber zwar viel schlafe (Kurt Lukas hatte zum zweiten Mal Frühstück und Mittagessen versäumt), doch wenn die Hitze zurückgehe . . . Butterworth ließ den Satz offen, er sah den Spatzen zu. Mit seitlichen Hüpfern rückten sie bis auf den Kuchenteller vor. Als sie ihn erobert hatten und aufgeregt pickten, flüsterte Horgan, er denke an ein Tennismatch mit Mister Kurt. Nach dieser kleinen Prüfung werde er dann urteilen über den Deutschen aus der Ewigen Stadt. Und an McEllis gewandt, hauchte er, ob es Hinweise gebe, daß ihr Gast mit dem Vatikan verbunden sei. Sämtliche Spatzen flatterten auf – McEllis antwortete mit erhobenen Händen.
    »Er trug schwarze Sachen, und ich erfuhr, daß er Lukas heißt und in Rom lebt. Und dachte, er

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