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Infanta (German Edition)

Infanta (German Edition)

Titel: Infanta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bodo Kirchhoff
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habe noch mehr apostolische Trümpfe, aber es blieb bei den dreien.«
    Butterworth schob eine Zigarette in das Mundstück; seine nervösen Lider bewahrten ihn davor, arrogant zu erscheinen, wenn er sich der Spitze bediente. »Jedenfalls folgte er meinem Rat, in der Mittagsglut die Kirche aufzusuchen, und saß dort nicht lange allein . . .« Die anderen wollten dazu Näheres hören, aber der bleiche Priester lenkte das Gespräch auf die Persönlichkeit des Gastes.
    Trotz seiner Auffälligkeit schien es Kurt Lukas kaum zu geben. Hatte er schon irgend etwas von sich erzählt? Kein Wort. Nur daß er Tennis spielte oder gespielt hatte, professionell, vielleicht. Und ledig war, angeblich. Aber was hieß das schon. Er konnte an jedem Finger zwei Freundinnen haben – in Rom sei alles möglich, so Dalla Rosa. Und dann diese Zeit, diese viele Zeit, die er offenbar habe und einfach verschlafe. Womöglich keinerlei Pflichten, sagte Pacquin. Aber Interesse für Bücher – Dalla Rosa bestand darauf, bei Mister Kurt ein Interesse für Bücher erkannt zu haben. Gestern, erzählte er, während die Spatzen zögernd zurückkehrten, habe der Deutsche beim Ordnen der Bibliothek zugesehen, sogar verraten, wie gut es ihm hier gefalle, sie hätten ein Gespräch geführt. Sein Auge geriet in Bewegung wie immer, wenn er übertrieb. Er hatte nach dem Abendessen in Gegenwart von Kurt Lukas einen Monolog über sein unerschöpflichstes Thema gehalten, die kaum zu ordnende Stationsbibliothek, gipfelnd in der Frage, ob es nicht besser sei, nur die hundert wichtigsten Bücher aufzureihen und den Rest im Abstellraum bei den anderen gestifteten Sachen zu lagern, als um des Alphabetes willen große Geister zwischen kleine zu zwingen.
    »Aber bemerkenswert ist doch der Umstand«, sagte McEllis auf einmal, »daß Mister Kurt noch nie ein Moped gefahren hat, dafür verbürge ich mich. Typischer Anfänger, natürlich nur in dieser Hinsicht.« Ein Stichwort war gefallen, und schon spekulierten sie. Wo Mister Kurt kein Anfänger sei. Im Filmgeschäft? Kaum. Zu schläfrig. In Gelddingen? Denkbar. In der Liebe? Die Meinungen gingen auseinander. Der Verdacht kam auf, er lebe vielleicht von der Liebe, habe womöglich gar keinen Beruf. »Das Einfachste wäre zu fragen«, meinte Pacquin. »Ihn zu fragen, was er ist.« Man erwog es, aber entschied sich dagegen. Einen Gast dürfe man nicht ausforschen, erklärte McEllis – sein Schlußwort in dieser Debatte. Aufmerksam wie seit langem nicht mehr, hörte er nur noch zu.
    Der Deutsche ging auf sein Konto. Jede kleine Äußerung über ihn wollte er festhalten. Von allen in der Runde besaß McEllis die stärkste Neigung zum Tagebuch. Im Gegensatz zu Dalla Rosa oder dem Superior – Horgan führte ein mentales Tagebuch – unterdrückte er seine Neigung nicht, ließ ihr aber auch nicht völlig freien Lauf. Das Ergebnis waren Zettel. Innerhalb des Wetterbuchs bildeten sie ein System von Neben- und Hauptzetteln, die er untereinander verband und in die Tagesseiten einfügte. Dazu benutzte er seit Jahren denselben scharfen Klebestoff, von dessen Verdunstung er bei ungeöffnetem Fenster gelegentlich Sensationen bekam, die seinen Notizen etwas Tollkühnes gaben.
    »Ich denke, wir wollen, daß er bleibt«, sagte der Superior nach einiger Zeit und bemerkte die Erleichterung am Tisch. Pacquin bemerkte fast alles, was in seiner Umgebung geschah. Er hatte auch gleich gespürt, daß ihr Gast ansehnlich war, und darüber gegrübelt, ob sein Gespür in diesem Fall ausreichte, um sich ein Urteil zu bilden. Von Butterworth sanft auf Menschenbeschreibungen in der Heiligen Schrift hingewiesen, war Pacquin zu der Ansicht gekommen, daß er die Hilfe fremder Augen in so einer delikaten Angelegenheit nicht zurückweisen durfte. Butterworth sollte von Mister Kurt eine Zeichnung in Worten anfertigen. Ein Porträt zum Vorlesen.
    Helles Krachen und Knistern wie scharfer Donner, eine ganze Kette katastrophaler Geräusche, die aus gewaltigen Lautsprechern vom Vergnügungshügel Infantas über den Ort schallten, täglicher Probelauf eines nie zu Ende gebastelten Musikanlagengestrüpps, stoppte die Unterhaltung über den Gast. Die Alten hielten sich die Ohren zu und stimmten die immer gleich lautende Klage über Doña Elvira, die schwarze Sängerin, an, die mit ihrer Musik den Ort verdumme, ja, beherrsche. Die, nur um ihre neuesten Kleider vorzuführen, in der Kirche erscheine und sogar beichte. »Und die nun auch noch einem Komitee angehört«,

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