Infanta (German Edition)
Regieeinfall von Doña Elvira – auf dem entwendeten Nerz. Nachdem Knappsacks Urne in seine Heimat überführt worden war, hatte sie die Nacktarbeit wiederaufgenommen. Begleitet von seinem letzten Leib- und Magenlied, Tribute to Buddy Holly, bestieg sie Punkt acht die roterleuchtete Rampe, wobei sie beide Daumen unter den Höschensaum schob, um den Stoff über dem Schritt noch einmal zu straffen. Ein kleiner, unbezahlbarer Handgriff, bevor sie sich dem Rhythmus anvertraute. Als Höhepunkt zeigte sie ihr Geschlecht, hüllte sich dann in den Mantel, lief in die Garderobe und weinte.
An den Vorabenden hatte Elisabeth Ruggeri Hazel getröstet, an diesem Abend trösteten sie Doña Elvira und Kurt Lukas. Sie tranken mit ihr. Während die Sängerin vor Freude trank und Hazel aus Kummer, trank sich Kurt Lukas Mut an. Tagelang war es ihm gelungen, der letzten Zeugin seines alten Lebens auszuweichen, jetzt wollte er sich stellen, und sie ließ ihn warten; mit den Worten« Dann eben nicht, Liebling« machte er sich auf den Heimweg.
Nur wenige Minuten später – Hazel tanzte wieder – kam Elisabeth Ruggeri von einem Gespräch mit Genossenschaftsvertretern. Sie zog sich sofort in ihr Abteil zurück und schrieb an Kurt Lukas. »Lieber, ich halte nicht viel von Briefen innerhalb eines Orts, aber da Du Dich unsichtbar machst, bleibt mir nur dieses Mittel.« Und sie schrieb ihm, weshalb sie angereist war und was sie von ihm wollte; auf der dritten Seite unterbrach sie den Brief mit der Behauptung, die Musik sei zu laut, sie könne sich nicht konzentrieren. In Wahrheit hörte sie erst Maylas Stimme und dann viele Stimmen und stellte ihr Tonband an.
Gefolgt von einem Pulk Journalisten, die aus dem Zuschauerraum kamen, stürmte Doña Elvira in ihr Wohn- und Videoabteil, wo sie auf Mayla traf, die nach Klopfen und Rufen durch die Hintertür getreten war; die Sängerin begrüßte sie überschwenglich und wartete, bis alle Fotografen die schöne Bischofssekretärin in pikanter Umgebung aufgenommen hatten, ehe sie die erste Pressekonferenz ihres Lebens gab. Sie selbst hatte die überstürzte Zusammenkunft provoziert. Beim Bühnengeplauder während ihres letzten Auftritts hatte sie sich mit guten Verbindungen zur Station gebrüstet. Sie habe im Gesellschaftsraum schon einen Liederabend gegeben, beziehe aus der Hausbibliothek Bücher, zähle die Gäste der Alten zu ihren Gästen und beichte mit Vorliebe bei Father McEllis.
Ob sie es für möglich halte, rief man ihr zu, daß sich Gregorios Leiche auf der Station befinde. Und ob sie dort ein und aus gehe und die Räumlichkeiten kenne. Und ob ihre politischen Ansichten – wie man höre, habe sie den geflohenen Präsidenten unterstützt – den Kontakten zu den alten Missionaren nicht im Wege stünden; ob sie noch an Geister glaube. Doña Elvira unterbrach den Fragensturm mit lautem Gelächter. Zwei Druckknöpfe am Sternenbanneranzug sprangen auf, und mit der gewonnenen Atemfreiheit erteilte sie ihre Antworten. Geister? Sie glaube an Gott und an Geld. Politik? Ein Tagesgeschäft. Ihr Gebiet sei die Nacht. »Und was Gregorios Leichnam betrifft« –sie warf Mayla einen fragenden Blick zu –, »ich vermute ihn unter der Erde.«
Der Ansturm ging weiter. Alle Fragen drehten sich um die Station und ihre Bewohner. Ein deutscher Kameramann wollte wissen, ob das Gebäude einen Keller oder Hobbyraum habe. »Einen was?« – die Sängerin lachte wieder, der dritte Knopf sprang auf – »Oder denken Sie an Katakomben? Davon ist mir nichts bekannt.«
»Gibt es eine interne Kapelle?« präzisierte von Scheven die Frage, und Mayla schaltete sich ein. Sie sagte Natürlich. »Dann ist er dort aufgebahrt«, rief jemand. »Also schnell hin«, rief ein anderer. Doña Elvira hob Ruhe gebietend die Arme und riet, nicht mit der Tür ins Haus zu fallen. Die Alten an sich seien viel reizvoller als die Frage, wann nun wer wo begraben werde. Sie schaute wieder zu Mayla und sagte zu jedem der fünf einen Satz wie die Agentin eines Quintetts. Es wurde eine kleine Eloge, die zu der Bemerkung reizte, ob es nicht auch Kommunistenfreunde seien. Doña Elvira sprengte die übrigen Knöpfe vor Lachen, die Fotografen drängten heran. »Auf der Insel gibt es nicht einen einzigen Kommunisten! Im ganzen Land gibt es keinen« – sie versuchte, das klaffende Sternenbanner zu schließen –, »es gibt nur arme Leute, die gern weniger arm wären.« Der Anzug platzte der Länge nach auf, das Licht ging aus; die Musik riß
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