Infanta (German Edition)
Zeitpunkt sicher genau überlegt, so wie man die äußeren Umstände eines Stelldicheins plant. Fest stand, daß er sich dann auf die Stufen zu der Pfahlhütte setzte, und anzunehmen war, daß ihn der Gesang aus der Bude von seinen dienstlichen Absichten eher entfernte.
Butterworth schätzte die Macht der schwarzen Sängerin richtig ein. Abend für Abend schaffte sie es, ein Netz der Erregung über Infanta zu werfen. Und obwohl Wilhelm Gussmann bei jeder Gelegenheit die Geschichte ihrer musikalischen Erziehung erzählte, blieb um ihr Talent ein ungesundes Geheimnis. Wer ihr zuhörte, versank. Nur so war zu erklären, daß der Captain ganz erschrocken Mein Gott, Mayla murmelte, als sie auf einmal vor ihm stand. Alles Weitere konnte sich der bleiche Priester ausmalen, als sei er dabeigewesen.
Narciso faßte sich und sagte, er wolle sich mit ihr über den Gast der Fathers unterhalten. Über den Amerikaner. Und Mayla begann zu rauchen und sah dabei wie immer auf die Glut. Was ist mit dem Gast, hat er etwas verbrochen? – Er kommt von Gregorio, nicht wahr? – Er kennt Father Gregorio gar nicht. Und ist kein Amerikaner. Er ist Deutscher. – Deutsche sind kleiner. Außerdem reisen sie selten allein. Warum setzt du dich nicht neben mich? Ich sehe nicht gern zu Menschen auf. – Ich sehe nicht auf Sie herunter. – Du siehst durch die Leute hindurch. Narciso soll dann aufgestanden sein und gefragt haben, ob ihr der Amerikaner schon Komplimente gemacht habe. Ein Journalist finde doch immer die richtigen Worte. Darauf Mayla: Er ist kein Journalist. Dafür schläft er zuviel. Und der Captain: Oh, du kennst seine Schlafgewohnheiten nach so kurzer Zeit. Den alten Gussmann wird das wenig freuen. Er liebt dich. Wie jeder weiß. – Sprechen Sie nicht so laut. – Warum gehen wir nicht hinein? Es kann dort kaum heißer sein als hier draußen. Aber vielleicht bequemer. Mayla trat dann ihre Zigarette aus und erwiderte, nur wenn er als Polizeichef darauf bestehe. Darauf Narciso: Wie gescheit du bist. Ich glaube, sie haben dich alle erzogen. Nur hast du von Gussmann noch erfahren, daß eine Frau in dir steckt. Er sagt jetzt jedem, daß er bald sterben wird. Als Unerlöster. Nach diesen Worten spitzten sich die Dinge zu. Mayla zündete sich wieder eine Zigarette an, und der Polizeichef kam auf den Stationsgast zurück. Wie sie ihn finde, wollte er wissen, erhielt als Antwort ein Lächeln und ging dann entschieden zu weit: Mister Kurt sei ja wahrscheinlich der erste für sie, falls sie demnächst mit ihm schlafe . . . Kaum war das gesagt, fiel Mayla die Zigarette aus der Hand; Narciso hob sie auf und blies gegen die Glut, wollte die Zigarette zurückreichen und wurde gründlich mißverstanden. Geprägt von tausend Greuelgeschichten und noch aufgebracht von der intimen Unterstellung, fragte ihn Mayla, ob er ihr die Zigarette im Gesicht ausdrücken wolle, worauf der Hauptmann, tief beleidigt, ihr mit der flachen Hand auf den Mund schlug und die Unterlippe platzte. Narciso sah Blut fließen und entschuldigte sich, und Mayla sagte, sie werde es vergessen, aber das konnte er sich nicht vorstellen: Etwas bleibe immer zurück. – Nein, sie werde es vergessen, nur solle er jetzt gehen. Mayla wiederholte diese Worte wie eine Litanei und merkte erst nach einer Weile, daß der Captain tatsächlich gegangen war. Die Lippe blutete immer noch heftig, und als sie ihre Mitbewohnerin kommen hörte, rief sie wahrscheinlich, Hazel, erschrick nicht . . . Butterworth schlug das Laken zurück und setzte sich auf; die Szene mit der Freundin hatte Mayla nur am Rande erwähnt. Aber was machte das schon. Er legte die Fingerspitzen aufeinander und stellte sich die Begegnung vor, als geschähe sie im Moment.
Hazel, früher als üblich von der Striptease-Arbeit zurück – in Hitzenächten, wenn das Publikum unberechenbar ist, darf sie vorzeitig gehen –, steckt wie immer in knappen Kleidern; auf dem Höhepunkt ihrer Abenddarbietung soll sie ja bloß noch ein Schnürchen tragen, das ihre einzige häßliche Stelle verbirgt, einen zweiten Nabel, den sie einem gottlosen Kindstöter verdankt. Sie sieht Maylas Lippe, schlägt die Hände zusammen, und Mayla erzählt, was geschehen ist. Geht es um Männer, ist die Freundin die einzige, der sie vertraut. Hazel, sagen die Leute, kenne sich aus mit dem anderen Geschlecht. Seit kurzem hat sie, auch davon hört man, ein Verhältnis mit einem Australier, einem entlassenen Air-Force-Piloten, der jetzt den
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