Infanta (German Edition)
sei mit Ihnen. Und damit verließ De Castro den Raum, und wir begleiteten ihn zum Jeep. Während er auf einen Funkspruch wartete, kam er wieder ins Plaudern und erschöpfte unsere Aufnahmefähigkeit mit einer zweiten Tour d’horizon. Wir lauschten seinem Redefluß, bis wir Mister Kurt ums Haus gehen sahen. Niemand hat ihm gegenüber das hintere Treppchen zur Küche erwähnt; wir alle wurden Zeuge, wie er es fand. Ein undeutlicher Mensch, urteilte der Bischof, aber nett, und McEllis brachte seine abwegige Tennis-Theorie an: daß Mister Kurt eine Art Trainer sei, zur Zeit vielleicht ohne Schüler. Erleichterung, als das Funkgerät schnarrte. Militäreinheiten, gab Schwester Angel durch, hätten eine Kundgebung von Kirchenhelfern in Malaybalay aufgelöst. Es seien Schüsse gefallen. Wie durch ein Wunder wurde De Castro schmal im Gesicht, sprang in den Jeep und rief mir zu, ich möge doch gleich in die Küche gehen und Mayla von ihm grüßen – er sei auch bald zum Essen wieder hier! Setzte den kugelsicheren Helm auf und fuhr davon, und ich machte mich auf den Weg. Maylas Stimme drang aus der offenen Tür. Gleich kommt jemand, um auszurichten, daß der Bischof mich grüßen lasse. Wahrscheinlich Father Butterworth. Er war lang nicht mehr da. Zuletzt hat mich Father McEllis besucht, Anfang November, wir sprachen über Amerika und meine Frisur an dem Tag. Davor kam Father Dalla Rosa, im August; er kam schon einmal während der Regenzeit . . . Ich wollte mir das nicht weiter mitanhören, betrat die Küche und sah unseren Gast und im nächsten Augenblick Maylas Verletzung. Sie behauptet, sie sei gefallen, erklärte mir Mister Kurt, worauf ich nichts erwiderte. Doch unter dem Eindruck der gespaltenen Lippe überzog mich wohl meine berühmte herablassende Totenblässe; jedenfalls verstummte der undeutliche Mensch und verschwand über das Treppchen. Mayla schloß die Tür. Wir waren unter uns.
An dieser Stelle schlief Butterworth ein, und das wahre Schreiben, wie er die Alpträume der frühen Morgenstunden nannte, begann. Er verklärte sein nächtliches Leiden gern gegenüber den anderen. Schlaf und Traum pries er als natürliches Ende jeder Gedankenarbeit, sie ersparten es ihm, einen Punkt zu machen. Die Schreibhemmung beschönigte er als Verzicht; daß ihm nur ein Anstoß fehlte, verschwieg er. Auch hatte er am Abend kein Wort darüber verloren, was ihm nach dem Mittagessen in der Küche widerfahren war, und bezahlte dafür jetzt im Schlaf: Aus der Entgleisung wurde ein Alptraum, aus einer Mücke ein Elefant – es war ja gar nichts Schlimmes geschehen. Noch ganz erschrocken über die Lippe, hatte er sein Mundstück hervorgeholt. Daraus ergab sich alles Weitere. Butterworth schob eine Zigarette hinein, Mayla brachte ihm einen Aschenbecher; sie wußte genau, wann er rauchen wollte und wann es ihm genügte, an der Spitze zu saugen.
»Es war Narciso«, sagte sie.
»Und warum?«
Sie setzten sich, und Mayla fing an zu berichten. Butterworth stellte ihr zwischendurch Fragen, und so kam sie ins Erzählen. Als alles gesagt war, ergriff er ihre Hände und ließ sie im nächsten Moment wieder fallen. Nur in den Jahren, als sie sich noch um Maylas Schulaufgaben gekümmert hatten, vor Gussmanns Austritt, waren sie sich so lange gegenübergesessen. »Nun, deine Lippe wird heilen«, sagte er schließlich. »Und wäre ich heute nicht in die Küche gekommen, hätten wir vielleicht gar nichts gemerkt.« In seiner Stimme schwang etwas Resignation. Oft begegneten sie sich ja tagelang nicht. Aber das hieß nur, daß er und die anderen wenig von Mayla sahen und hörten, während sie, gewiß ohne zu lauschen, alles aufschnappte, was durch die Wände drang. Der bleiche Priester suchte in seinen Taschen nach Feuer. Er hatte es plötzlich eilig zu rauchen. Mayla reichte ihm ein brennendes Zündholz.
»Und du?« fragte er.
»Ich kann nicht mit der Lippe, leider.«
Butterworth steckte sich die Zigarette an und machte ein paar schnelle Züge. Das Rauchen zählte nicht zu seinen Schwächen. Verglichen mit der Schreibneigung unterlag es ganz seinem Willen. In Etappen rauchte er eine Zigarette am Tag; nur das Mundstück war eine Droge. Er und die anderen hatten auch nie etwas zu Maylas Zigaretten gesagt. Es gab Wichtigeres. Er blies die Wölkchen auseinander, Mayla atmete sie ein. Und da hielt er ihr die Spitze hin.
»Vielleicht geht es damit . . .«
Sie streifte ihn mit einem frechen Blick; auch für ihn selbst war es ein unerhörtes
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