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Infanta (German Edition)

Infanta (German Edition)

Titel: Infanta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bodo Kirchhoff
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Jungen, der so viele alte Schlager kenne und ungebeten vortrage. Doch da Pacquin zu Tisch rief, geriet Augustin gar nicht erst in Versuchung. Als Vorspeise gab es Kohlsuppe, De Castro lobte sie durch mehrfaches Nicken. Nach dem Hauptgericht – Hühnerbrüstchen mit Mango und Nüssen – kam er auf die politische Lage zu sprechen. Im Südosten der Insel habe das Militär halbe Ortschaften geschleift. Er erzählte uns gräßliche Einzelheiten, während sich der Novize zu Mister Kurt beugte, leise fragte, Kennst du sie? – Wen soll ich kennen? – Marlene Dietrich, erklärte Augustin und tupfte Horgan den Mund. Nicht persönlich, wenn du das meinst, antwortete Mister Kurt; ob sie denn überhaupt noch lebe. Ein kleiner Disput entspann sich. Aber im Zweifelsfall, sagte unser müder Gast, lebt sie – und schaute dabei angestrengt in die Küche, verständlicherweise. In den letzten zwei Tagen ließ Mayla nichts von sich sehen. Obwohl sie ganz sicher nicht abwesend war. Leichte Zeichen bewiesen ihre Anwesenheit. Zum Beispiel die Nußsplitter; Hühnerbrüstchen gab es an gewöhnlichen Tagen nur mit Mango beschichtet. Wir genossen die kleine Bereicherung, und De Castro erkannte an unserem Genuß das Besondere dieser Mahlzeit und zeigte sich geehrt. Während er über Kochrezepte, Gott und die Welt sprach, rühmte er immer wieder das Essen. Von Zeit zu Zeit wechselte er das Thema. Seine Sprünge hatten Methode, ein begnadeter Plauderer. Fast heiter erzählte er von Drohungen, ihn zu entführen. Seine Sekretärin erhalte anonyme Briefe, die brave Schwester Angel werde jedesmal blaß. Alle machten sich Sorgen, nur er nicht – Entführer hätten es doch mit ihm viel zu schwer. De Castro sah in die Runde und fügte donnernd hinzu, Die könnten mich doch nie ernähren – und machte einen Gedankensprung in die Hauptstadt, erzählte von Gerüchten um die First Lady. Man spreche von dreitausend Paar Schuhen . . . Erst als die Schale mit den Bananen herumging, wandte er sich an Mister Kurt. Was ihn nach Infanta geführt habe. – Der Zufall, so unser Gast. De Castro zog eine Braue nach oben und ließ sie dort stehen, wie es gewisse Schauspieler können: Eine Überschätzung des Zufalls. Und eine Unterschätzung dieser alten Männer. Sie pflegen ihre Gäste auszuwählen. – Weshalb sollten sie mich auswählen, erwiderte Mister Kurt. Ich bin kein besonderer Mensch. – Ist gutes Aussehen nichts Besonderes? warf der Novize ein. Unser Gast wiegte den Kopf. Hier vielleicht. In Rom sehen viele gut aus. Und manche sind auch noch klug. Und reich. Und bekannt. Der Bischof nickte plötzlich heftig. Gerade erst, während seines Besuchs beim Kardinal, habe eine römische Journalistin mit ihm telefoniert. Signora Ruggeri. Eindeutig klug und wahrscheinlich bekannt. Und offenbar auch reich. Jedenfalls habe sie eine Stunde lang aus Europa angerufen, nur um ein Bild von den Stimmungen im Land zu bekommen. De Castro amüsierte sich. Madam wollte den guten Kardinal sprechen, und mich hat sie erwischt! Eine hartnäckige Dame. Nannte mir Namen und wollte Geschichten dazu – er ließ endlich die Braue herabsinken –, sogar den unseres Ex-Gouverneurs. Eine ganze Namens-Arie durchs Telefon. Elisabetta Ruggeri. Sind sie dort alle so, Mister Kurt? Ein bißchen verrückt? – Unser Gast hob eine Hand, schraubte sie gleichsam in die Höhe und ließ sie sich auf die Brust fallen. In welcher Stadt sind die Menschen normal? Ich würde mir in dieser Stadt sofort eine Wohnung suchen. Es ist alles überall gleich. Zwanzigstes Jahrhundert. Wo man hinsieht . . . Der Bischof unterbrach ihn. Sie sind überall gleich, sagte er und hob die Tafel auf. Leise, offenbar nicht für alle Ohren bestimmt, bat er Mister Kurt dann, in die Küche zu gehen und Mayla auszurichten, ihr Bischof würde sie vor seiner Abfahrt gern begrüßen, und wünschte ihm alles Gute für Infanta. Pio De Castro schien wohl vergessen zu haben, daß unsere Küche tabu ist, merkte jedoch, woran er gerührt hatte; vor dem Hinausgehen drehte er sich noch einmal um und sagte zu Mister Kurt: Der könnte das auch selbst tun, denken Sie jetzt vielleicht. Müßte nur seinen Schädel in die Durchreiche stecken und sprechen. Ein doppelter Irrtum. Erstens paßt mein Schädel dort gar nicht hinein, und zweitens findet durch diese Durchreiche niemals eine Konversation statt. Sie ist ein offenes Fenster und doch das geschlossenste, das ich kenne. Maylas Bühne, Mister Kurt, so würde ich es nennen; Gott

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