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Infanta (German Edition)

Infanta (German Edition)

Titel: Infanta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bodo Kirchhoff
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etwas, bis jeder seinen Gruß murmelte, während Mister Kurt sprachlos über unseren Anblick war. Fünf alte Männer in Haushemden, flüchtig rasiert, das Haar mit Wasser gekämmt; halb Missionare noch mit kleinen Aufgaben, halb gewöhnliche Ruheständler von undeutlicher Nationalität. Ich übernahm die Vorstellung und begann mit Horgan, der gerade bei Kräften schien. Unser Tenniscrack. Konnte mal aufschlagen, daß der Sand wegspritzte. Mister Kurt gab sich alle Mühe, über Horgans Spindelarme hinwegzusehen, ging auch auf das Thema nicht ein, als habe er gar nichts mit Tennis zu tun. Die anderen bestätigten den legendären Aufschlag, und Horgan schob sich eine Hand unters Kinn. Er richtete seinen Kopf auf und zeigte Mister Kurt sein Gesicht mit der gewaltigen Nase, die ja auf rätselhafte Weise noch wächst, wenn er lächelt. Und der Gute lächelte wie schon lange nicht mehr; die tränengebadeten Augen sahen unter den schweren Brauen hervor, sahen unseren Gast nur regungslos an, und der brachte kein Wort heraus. Inzwischen, erklärte ihm Butterworth, geht alles etwas zeitlupenartig bei Father Horgan, mit Ausnahme des Denkens natürlich; Hirnprozesse haben ja oft ihr eigenes Leben. Wie bei jeder seiner beiläufigen Belehrungen zuckte Butterworth mit den Lidern, nahm das bleiche Gesicht zwischen die Hände und zog schließlich seine Brillenbefestigung stramm, die ihm den Kahlkopf so schön teilt. Ich nannte seinen Namen und machte meine üblichen Bemerkungen zur Person. Finanzverwalter des Hauses. Zuständig auch für alle täglichen Einkäufe und die Korrespondenz. Studienjahre in New York und Italien. – In der Ewigen Stadt, verbesserte mich Butterworth und ergriff die Hand unseres Gastes. Wie der Zustand der Sixtinischen sei, erbärmlich? Und die Petrarca-Handschriften, noch in dieser schlechten Vitrine? Und die kleinen Pilgerlokale rechts der Conciliazione, von San Angelo kommend, noch so preiswert? Mister Kurt wußte es nicht. Er entgegnete nur, Restaurierungsarbeiten seien im Gange. Und erwähnte, er wohne nicht ständig in Rom und spreche auch leider nicht gut Italienisch. Darauf Butterworth, typisch: Nun, Signore Kurt, heute könnte ich auch nicht mehr Dante lesen – es ist bald fünfzig Jahre her. Aber denken Sie deshalb nicht, ich sei der Älteste hier. Wir sahen natürlich alle zu Pacquin, der gerade aufgestanden war und mit seinen winzigen Schritten zur Durchreiche ging. Er holte die Platte mit den Bratfischen. Als er zurückschlich, sagte ich, Father Pacquin, unser Superior, ist hier geboren, ist hier aufgewachsen, ein Insulaner, und Mister Kurt machte eine Verbeugung. Er überragte Pacquin um zwei Köpfe, sah geradezu ratlos auf den zwergenhaften Greis, der wie immer einen geschäftigen Eindruck machte, die sechs Fische nachzählte, sein Haushaltsheft auf den Tisch legte, seine Serviette aus dem Ring zog. Lukas ist ein guter Name, sagte er nur, und ich brachte unseren Gast zu Dalla Rosa, flüsterte, er solle keinesfalls den Versuch machen, ihm in beide Augen zu sehen. Als Bibliothekar der Station stellte ich ihn vor, geboren in Triest. Mister Kurt bemerkte dann, vermutlich aus Höflichkeit, irgend etwas in italienischer Sprache zu ihm, worauf Dalla Rosas Wanderauge in Bewegung geriet. Mit seinem gewöhnlichen Auge blickte er mich hilfesuchend an und bat dabei unseren Gast, nie wieder mit ihm italienisch zu reden, denn sein eigenes Italienisch sei das eines Kindes. Ich war seit Ewigkeiten nicht mehr dort, rief er aus. Und komme auch nicht mehr hin. Mein Heimweh hat sich schon vor dreißig Jahren gelegt. Und inzwischen möchte ich hier sterben. – Mister Kurt preßte bei dem Wort Sterben die Lippen zusammen, ihm schien damit endgültig der Mund verschlossen. Er schwieg dann auch lange und schaute immer wieder zur Durchreiche, wo gelegentlich Maylas Hände auftauchten, diese dunklen, oft etwas kühlen Hände, Bestecke trockenrieben oder das Geschirrtuch glattstrichen, unsere Nachtischbananen zurechtlegten oder einfach auf den Fingerspitzen standen, ein kleines Ballett . . .« McEllis führte diesen Fingertanz-Gedanken noch weiter aus und sah sich bald gezwungen, einen ganzen Absatz zu streichen, ehe er nach Hände auftauchten neu fortfuhr.
    »Boten unserem Gast den Platz zwischen Pacquin und Gregorios leerem Stuhl an, und Butterworth reichte ihm die Abendsuppe, in der etwas weiche Brotrinde schwamm. Löffeln und Schlürfen. Mister Kurt äußerte sich lobend; er lobte die Suppe einmal zuviel. Neigt

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