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Infanta (German Edition)

Infanta (German Edition)

Titel: Infanta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bodo Kirchhoff
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Falten. »Ich bringe Sie nach oben. Oder wo wollen Sie sonst hin . . .« Wieder flammte das Feuerzeug auf. Zwei Chinesenaugen blitzten zwischen Furchen und Tränensäcken hervor. Gussmann lachte; seine großen Zähne waren schief, aber fest. Kurt Lukas keuchte noch. »Was heißt nach oben bringen, sind Sie hier Bergführer?«
    »Ein Bergführer, ich? Ich bin Amateur. Und das heißt Liebhaber, werter Herr Kurt«. Hier ist meine Hand. Gussmann, Wilhelm; besser, Sie halten sich an mir als an den Luftwurzeln. Die geben nach, ich nicht.«
    »Woher haben Sie meinen Namen, von den Priestern?«
    »Das Gespräch mit ihnen ruht seit Jahren.«
    »Dann von Mayla.«
    »Sparen Sie Ihren Atem.«
    Der schmale Weg ging in einen aufgeweichten Trampelpfad über. Kurt Lukas fluchte wieder. Seine Füße hatten keinen Halt, Zweige schlugen ihm ins Gesicht, wie ein Kind hielt er die Hand eines Älteren. Die Pfähle, die den Vorbau trugen, tauchten auf, der Schein der Lichterkette fiel auf Gussmanns Kopf. Sein Haar war würdevoll weiß und verwahrlost; Bäche von Schweiß liefen über seine eingesunkenen Schläfen und Wangen und verloren sich zwischen den Stoppeln. Schnaufend blieb er stehen und deutete auf eine Leiter. Er besaß kräftige Hände, eine nachgiebige Unterlippe und die etwas zerschundene Nase der Trinker und Alpinisten. »Eine Frage, bevor wir da hinaufsteigen. Was halten Sie von Mayla?«
    »Ich finde sie schön.«
    »Ich auch, werter Herr.« Er hustete und lachte. »Steigen wir also. Vorher sollten Sie noch einmal Luft holen.«
    Die Leiter mündete in eine Luke. Mit jeder Sprosse wurde es heißer und lauter. Kurt Lukas kletterte voran. Oben angekommen, glaubte er zu ersticken vor Menschen. Die meisten standen, alle rauchten. Eine bläuliche Wolke über den Tischen reichte von einer angestrahlten Bühne in der einen Hälfte der Bude über eine abgewetzte Musikbox-Reliquie in der Mitte des Raumes bis zu einem Käfig in der dunkleren Hälfte, dem vergitterten Platz der Kassiererin. Das ganze Publikum schaute zu einer Tür neben dem Bühnenaufgang. Rufe schallten, Gläser klirrten, Lampen schwankten. Kurt Lukas wurde hin und her geschoben, betastet, angesprochen, um Feuer gebeten, um Geld; Gussmann wurde von allen Seiten gegrüßt. Er steuerte auf einen Tisch zu. Wie immer trug er nur ein Unterhemd und eine Art Pyjamahose. Mit hocherhobenen Armen grüßte er zurück, die Hände zu Fäusten geballt, eine oft mißverstandene Angewohnheit, um dem Reflex des Segnens zu begegnen. »Wie Sie bald merken werden, werter Herr, ist dies hier der günstigste Tisch. Man sieht die Bühne und ist trotzdem sicher vor Doña Elviras Spucke und Schweiß. Betrachten Sie sich als mein Gast.«
    »Warum sagen Sie werter Herr zu mir?«
    »Sagt man das nicht mehr? Ich war vor fünfzig Jahren das letzte Mal in Deutschland.«
    Eine Bedienung brachte einen Eimer voll Wasser, in dem Eisbröckchen und Bierflaschen schwammen. »Besser, man hat einen Vorrat«, sagte Gussmann. »Denn wenn Doña Elvira erst singt, geht es hier drunter und drüber.« Kurt Lukas kühlte sich den Nacken mit Eis. Also eine Wucht diese Frau. Ob er sie persönlich kenne. »Persönlich kenne? Ich kenne sie wie kein anderer. Möchten Sie ihre Geschichte hören? Ich nehme es an. Sie sehen mir aus, als ließen Sie sich gern etwas erzählen.« Der frühere Priester rieb sich den Schweiß aus den Augen. »Wenn Sie Zeit haben, Werter, wenn Sie Neugier haben; ich bin immer bereit.« Sein Deutsch erinnerte an einen Betrunkenen, der sich zusammenreißt. Wilhelm Gussmann führte zwar noch Selbstgespräche mit einem im Laufe der Jahre eigensinnig umgewandelten, von niemandem mehr aufgefrischten Frankfurter Akzent, redete aber mit keinem Menschen deutsch. Er stritt sich nie in seiner einstigen Sprache, erlitt auch keine Kränkungen auf gut deutsch und träumte nur noch selten nach der alten Grammatik; besaß aber deutsche Bücher, die er fast auswendig kannte. Ein Meer von Worten stand ihm zur Verfügung.
    »Elvira Ofelia Pelaez«, begann er zu erzählen, »kam in Cebu-City auf die Welt, das ist die Hauptstadt einer Insel nördlich von hier. Sie war das fünfte Kind einer sogenannten Mutter der Seufzenden, der ein Dutzend Hütten in einem Hurenviertel gehörten. Sämtliche oberen Räume hatte sie zu einer prächtigen Dachwohnung zusammengelegt. Ihre Arbeit bestand in der Hauptsache darin, durch kleine Löcher, die sie eigenhändig in den Boden gebohrt hatte, Aufsicht über den Gang der Geschäfte

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