Infantizid
des Riesen.
Hauptkommissar Bräunig eröffnete die Besprechung mit seinen Mitarbeitern in der Weimarer Polizeiinspektion, wie am Samstag festgelegt, Punkt 14 Uhr.
Fast gleichzeitig kamen Kratzenstein, Fischer und Klimm in das Büro. Man merkte Klimm an, dass es für ihn ungewohnt war, einen Anzug zu tragen. Er schien sich eingeengt zu fühlen, denn er nestelte ständig an seiner Krawatte herum. Nachdem alle Platz genommen hatten, eröffnete Bräunig die Sitzung.
»Hubaczek und Leichenkolbe sind am Morgen nach Berlin gefahren. Ich hoffe, sie melden sich heute noch und informieren uns über erste Ermittlungsergebnisse. Der Staatsanwalt und ich haben festgelegt, dass Herr Klatt, nachdem er sich persönlich dazu bereit erklärt hat, für uns arbeitet. Wir haben das vertraglich geregelt. Er gehört jetzt zu uns und ist in diesem Fall von groÃer Wichtigkeit, vergesst das nicht. Irgendwann müsste er mit der Firma Omicron AG Kontakt aufgenommen haben. Er hat striktes Verbot, sich direkt mit uns in Verbindung zu setzen, solange wir nichts Genaues wissen. Alle Mitteilungen spricht er auf eine Kassette. Diese übergibt er in seinem Fitnessstudio an Polizeimeister Klimm. Das bedeutet, dass Sie, Herr Klimm, am Ende der Besprechung in dieses Studio fahren und sich dort als Mitglied aufnehmen lassen. Sie müssen immer montags, mittwochs, donnerstags und freitags in den Abendstunden dort anzutreffen sein. Verhalten Sie sich so unauffällig wie möglich, wenn Sie ihm begegnen. Also, was haben wir bis jetzt?«
Kratzenstein übernahm jetzt das Wort und schlug dazu seinen Ordner auf. »Der Arztbericht von Dr. med. Eginhardt Röhl besagt, dass Jentzsch, alias Arndt, durch die Verletzungen am Kopf gestorben ist. Ich musste ihn noch mal anrufen, weil ich das ganze lateinische Gesülze nicht verstanden hatte. Dr. Röhl ist eine Woche nicht in der Klinik zu erreichen, da er zu einem Symposium nach Heidelberg fahren muss. Die Schuhcreme an den Schuhen von Jentzsch ist tatsächlich uralt. Mindestens 25 Jahre, noch aus der DDR. Damit ist das auch geklärt. Nun zu der Omicron AG. Diese Firma wurde als nicht börsennotierte Aktiengesellschaft 1996 gegründet. Sie entstand ganz klein als Personengesellschaft, wurde später dann eine GmbH und schlieÃlich eine Aktiengesellschaft. Hauptaktionäre sind Herr Siegfried Walbe aus Erfurt, 55 Jahre, und Herr Conrad Lieder, 66 Jahre, aus Stuttgart. Das Geschäftsfeld der AG besteht darin, Informationen zu verkaufen. So eine Art Datenbank für alles. Die Firma ist nicht im gewerblichen Strafregister vermerkt, es gab noch nie Probleme mit dem Finanzamt oder den Strafverfolgungsbehörden. Die Hauptaktionäre sind nicht vorbestraft. Mehr haben wir über Lieder und Walbe noch nicht ermittelt. Die Omicron AG hat insgesamt sechs Filialen in Deutschland plus den Hauptsitz in Erfurt. Laut einer Veröffentlichung in einem Wirtschaftsmagazin will die Omicron AG in das europäische Ausland expandieren. Die Geschäfte laufen sehr gut, heiÃt es weiter. So viel dazu. Kommen wir zu dem Wort âºInfantizidâ¹. Wir haben es als Suchbegriff durch sämtliche im Computer registrierten Vorgänge laufen lassen. Nicht ein einziger Treffer. In keiner Ermittlungsakte tauchte dieser Ausdruck auf. Allerdings habe ich es noch nicht in den Zentralrechner in Wiesbaden eingegeben. Das wollte ich erst nach Absprache und Genehmigung machen. Hier im Haus kommen wir dazu keinen Schritt weiter. Das BKA hat die Unterlagen zu den ungeklärten Tötungsdelikten geschickt. Wenn wir die kompletten Akten brauchen, sollen wir Bescheid sagen. Die Auswahlkriterien waren: ungeklärte Tötungsdelikte, ungewöhnliche Tötungsarten, keine erkennbaren Motive, männliche Opfer ab 21 Jahren; Recherchezeitraum: die letzten zehn Jahre. Soll ich sie alle vortragen?«
Bräunig nickte. »Ja, aber bevor ich es vergesse: Den Begriff âºInfantizidâ¹ geben wir erst später nach Wiesbaden weiter. Wahrscheinlich bekomme ich von Dr. Müller morgen eine Liste mit allen registrierten einberufenen Personen, die in Spezialeinheiten der ehemaligen DDR gedient haben. Diese Liste müssen wir durchgehen. Vielleicht fällt uns irgendetwas auf. Und ermittelt mehr über Walbe und Lieder. Mach weiter, Kratzenstein.«
Nachdem sie sich alle die Anweisungen Bräunigs notiert hatten, fuhr Kratzenstein fort: »Ich lese die Liste
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