Infantizid
anderen elf Menschen denkt. Gehen wir davon aus, dass das erst mal die einzige Gemeinsamkeit zwischen allen Fällen ist, sozusagen die Verbindung. Je mehr Ãberlegungen wir dazu aufbringen können, umso mehr führen sie uns eventuell zu neuen Erkenntnissen. Egal, wie schwachsinnig es sich anhört. Ich will jede Theorie hören. Zum Schluss sage ich euch meine Meinung. Fischer, ich schlage vor, du fängst an.«
Bräunig konnte seine Aufregung kaum mehr verbergen. Es konnte so einfach sein, wenn man es erst einmal wusste. Wie beim Kreuzworträtsel. Wenn einem ein gesuchtes Wort partout nicht einfallen wollte, ergaben die Wörter, die an den gesuchten Begriff angrenzten, später die Lösung. Man musste das Umfeld im Auge behalten und alles zusammen betrachten.
Fischer blickte zur Decke, um besser denken zu können. »Die Opfer hatten ausnahmslos gehobene Positionen inne. Das heiÃt, sie alle hatten Verantwortung für bestimmte Werte zu tragen. Menschen, Technik, Kapital. Freilich in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen. Alle waren älter als 39 Jahre und wiesen dasselbe Tötungsmuster auf. Das sind die Gemeinsamkeiten, die ich entdecken kann. Sie lebten in der ganzen Bundesrepublik verteilt und kannten einander vermutlich nicht. Jedenfalls gibt es in den Akten keinen Hinweis darauf. Die Spurenlage gibt auch nichts weiter her. Wenn es mehrere Täter waren, verstanden die ihr Handwerk. Wie Jentzsch am Freitagabend. Allerdings wäre es aufgrund der Zeitabstände auch möglich, dass nur ein Täter am Werk war.«
Bräunig nickte mit dem Kopf. »Absolut richtig, deine Schlussfolgerungen. Konzentriert euch erst mal nicht auf die Frage, ob es ein oder mehrere Täter waren. Das Tötungsmuster ist überall gleich, das steht fest. Das Motiv ist das Entscheidende. Fischer hat den Nagel schon fast auf den Kopf getroffen. Also, überlegt noch mal. Wem nützen diese Morde? Wenn die Motive Diebstahl, Raub, Sex, Rache nicht dafür infrage kommen, was dann? Denkt an die Tätigkeiten und die gesellschaftliche Stellung der Opfer.«
Klimm meldete sich zu Wort. Seine Krawatte hatte er inzwischen abgelegt. Er hatte Angst zu ersticken.
»Wenn Jentzsch heute Nacht nicht den Unfall gehabt hätte und wir ihn dadurch nicht geschnappt hätten, wären wir von einem ganz normalen Raubüberfall ausgegangen. Als Motiv hätten wir persönliche Bereicherung angenommen. Was sonst? Wir stellten aber fest, dass es nicht so war. Matti Klatt sollte mit dem Geld gekauft werden. Wenn wir â¦Â«
Bräunig schlug mit seinen Händen auf den Tisch, und unterbrach ihn. »Du bist auf dem richtigen Weg, Klimm. Stell die entscheidende Frage!« In seiner Aufregung duzte er den neuen Mitarbeiter, was normalerweise erst nach seinem Einstand auf der Tagesordnung stand.
»Bleiben wir bei unserem Beispiel von heute Nacht. Stellen wir uns die Frage, was mit Matti Klatt geschehen wäre, wenn er bereits in eine groÃe Sache oder in ein extrem geheimes Vorhaben eingeweiht worden wäre, das Geld aber nicht angenommen hätte?« Klimm war selbst erstaunt über diesen Gedankengang.
Kratzenstein sprang von seinem Stuhl auf. »Wenn man vom schlimmsten Fall ausgeht, würde man ihn sicher aus dem Verkehr ziehen. Je nachdem, worum es sich bei dieser groÃen Sache handelt. Oder wie groà der Schaden wäre, wenn sie an die Ãffentlichkeit käme.«
Bräunig war sich sicher, dass sie gleich am Ziel waren. »Sprich nur weiter, Kratzenstein. Wir sind ganz Ohr«, sagte er immer ruhiger werdend.
»Gehen wir also davon aus, dass Jentzsch und noch ein paar andere Handlanger auf diese spezielle Art Menschen töten können. Diese Leute fahren durchs Land und wählen sich gezielt Menschen in verantwortungsvollen Positionen. Personen mit Macht und Kapital oder mit besonderen Fähigkeiten. Wie sie in unserem Fall Matti Klatt haben muss. Sie sprechen mit diesen über eine groÃe Sache. Eben wie Jentzsch heute Nacht mit Klatt. Wenn diese nicht aus Ãberzeugung mitmachen, versuchen sie es vielleicht mit Geld oder Erpressung. Wenn sie dann immer noch nicht einsteigen, werden sie umgebracht. Sie wissen einfach zu viel. Diese Variante ist denkbar.« Kratzenstein setzte sich wieder auf seinen Stuhl.
Hauptkommissar Bräunig sah in die Gesichter seiner Mitarbeiter. So musste es sich abgespielt haben. »Ja, es könnte stimmen, das ist
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