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Infektiöse Visionen (German Edition)

Infektiöse Visionen (German Edition)

Titel: Infektiöse Visionen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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Mischung aus echtem Erstaunen und aufkommendem Groll.
    „ Das Bürschchen stürzt noch schneller Richtung Gosse als selbst ich ihm zugetraut hätte. Und was willst du jetzt machen?“
    Ich schaute ihn an.
    „ Weißt du, wie man eine Tür aufbricht? Schon mal gemacht?“
    „ Klar, mach ich andauernd.“
    „ Echt?“
    „ Nein, natürlich nicht.“
    Er wischte sich den Mund ab, schmiss die Serviette auf den Teller und stand auf.
    „ Zeig mir die Tür.“
     

    Wir gingen durchs Geschäft in Richtung Lager. Vor der Ladentür sah ich schemenhaft zwei Leute stehen.
    „ Verflixt.“
    „ Was?“
    „ Kundschaft.“
    „ Na und? Ich denke, du machst erst um zehn auf.“
    „ Schon. Aber ich kann die Leute nicht einfach stehen lassen. Moment bitte.“
    „ Tante Emma“, sang er mir hinterher, schnappte sich zwei Kartoffeln und jonglierte damit.
    „ Wehe, du lässt eine fallen, dann musst du sie kaufen“, drohte ich beim Aufsperren der Ladentür. Die gute Laune verging mir, als ich sah, wer da draußen stand: Sebastians Mutter, Wendelins Noch-Frau, zusammen mit einem Mann im Anzug, den ich noch nie gesehen hatte. Abwegigerweise erwartete ich eine sofortige Eifersuchtsszene. Aber sie wusste ja noch von nichts, lächelte freundlich, reichte mir die Hand und fragte:
    „ Ist Sebastian da? Tut mir leid, ich wusste Ihren Nachnamen nicht und dachte deshalb, ich komme einfach mal im Geschäft vor...“
    Ihr Blick ging über meine Schulter in den Laden.
    „ Wendelin!“
    Er trat an mir vorbei auf die Straße, hatte die Kartoffeln noch in den Händen und dachte nicht daran, sie für eine wie auch immer geartete Begrüßung beiseite zu legen.
    „ Was machst du denn hier?“
    „ Das selbe wie du, nehme ich an.“
    „ Aber...“
    „ Sebastian scheint übrigens nicht da zu sein. Wenn ihr herein kommen wollt...“
    Sie gingen an mir vorbei in mein Geschäft. Ich kam mir vor wie eine Statistin, folgte ihnen und versperrte hinter uns wieder die Ladentür.
    „ Weiß jemand, wie man Schlösser ohne Schlüssel aufbekommt?“, fragte Wendelin in einem Ton als handle es sich um ein Gesellschaftsspiel.
    „ Wie bitte?“, fragte Sebastians Mutter.
    „ Um welche Art von Schloss handelt es sich denn?“, meldete sich ihr Begleiter zu Wort. Ich machte eine Geste der Ahnungslosigkeit und sagte:
    „ Am besten, wir schauen mal.“
    „ Entschuldigung, Franz mein Name“, stellte sich der Mann vor und streckte mir die Hand entgegen.
    „ Leo Franz, Referatsleiter unserer Spedition für Asien und Australien“, ergänzte Wendelin freundlich. „Und seit mindestens einem halben Jahr der Liebhaber meiner Frau. Es begann bei der letzten Weihnachtsfeier, nicht wahr? Und zwar ziemlich ungeniert in meiner Gegenwart.“
    „ Bitte!“, rief sie mit schrillem Unterton. „Muss das jetzt sein? Wir wollen Sebastian besuchen. Was ist hier überhaupt los?“
    „ Sag du’s ihr, Schatz“, forderte Wendelin mich auf, lächelte strahlend und legte demonstrativ den Arm um mich.
    Ich schüttelte ihn ab.
    „ Sebastian ist seit gestern verschwunden.“
    „ Verschwunden? Seit gestern?“
    Sie wurde von einem Entsetzen ins andere gerissen.
    „ Der kleine Gangster hat die Ladenkasse ausgeräumt“, kam es von Wendelin. Herr Franz biss sich auf die Lippen und wusste vor Peinlichkeit nicht, wohin er schauen sollte. Das Noch-Ehepaar Forberig-Lensen hatte sich frontal positioniert – in sehr gewohnter Konfrontationsstellung, wie es mir schien.
    „ Aber wo ist er jetzt?“
    „ Auf der Flucht, nehme ich an.“
    „ Du...“
    „ Das sind alles nur Vermutungen“, ging ich dazwischen. „Wir wollten gerade in seinem Zimmer nachschauen, ob er eine Nachricht hinterlassen hat, aber die Tür ist versperrt.“
    „ Um Gottes Willen!“, rief sie.
    Herr Franz sah seine Chance, der Situation durch Aktivität zu entkommen. Er packte die Tür vom Laden zum Lager am Griff und deutete auf das Schlüsselloch.
    „ Also, wenn das ein Schloss wie dieses ist, bräuchte ich bloß ein Stück festen Draht und eine Zange.“
    „ Ooohhh, der Praktiker weiß Rat“, machte Wendelin.
    „ Moment, ich schau mal nach“, murmelte ich und drückte mich an den Streithähnen vorbei ins Lager. Wo eine Zange lag, wusste ich.
    „ Jetzt hast du also schon Affären mit den Freundinnen deines Sohnes“, hörte ich hinter mir gedämpft Sebastians Mutter klagen. Ein Alptraum, wirklich – hätte ich das heute Nacht geträumt, ich hätte mich gefragt, wie sich mein Kopf derart abwegige

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