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Infektiöse Visionen (German Edition)

Infektiöse Visionen (German Edition)

Titel: Infektiöse Visionen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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Seine Stimme in der Gegensprechanlage fiel mir ein. Und Sebastians Kuss. Ihre Stimmen, so ähnlich. Aber die Küsse – so so so anders. Ich dachte an Clarissa, die von ihrer Tür oben einen wunderbaren Ausblick auf uns hätte, sollte sie wach sein, und zog ihn in meine Wohnung. Es dauerte keine Minute, da waren wir ausgezogen und im Bett.
     

    Zwei Stunden später saßen wir am Frühstückstisch wie ein altes Ehepaar.
    „ Bist du wegen mir zurück gekommen?“, fragte ich und lächelte keck, während ich zwei Nutella-Brote beschmierte und er Kaffee eingoss. Er grinste zurück, wurde dann ernst.
    „ Hauptsächlich. Aber da sind auch noch zwei andere Gründe.“
    „ Lügner.“
    „ Nein, wirklich, es gibt noch zwei Gründe.“
    „ Lügner für das Hauptsächlich.“
    „ Na ja.“
    Es gab mir einen Stich. Ich hätte mir so gewünscht, das Hauptsächlich zu sein. Verrückt, verrückt, das ist doch völlig... – Er musste so alt sein wie meine Mutter! Ein alter Knacker! Was war nur mit mir los? Für den Hauch einer Sekunde kam mir die Idee, dass meine Gefühle nicht meine Gefühle sein könnten.
    „ Also, dann sag schon.“
    „ Ach, in erster Linie ist das ein geschäftlicher Besuch. Hauptversammlung der Firma und Treffen der Auslands-Geschäftsstellenleiter.“
    „ Und zweitens?“
    „ Und zweitens ist Rita mit dem Referatsleiter für Asien und Australien zusammen und daher auch in der Stadt.“
    „ Wer ist denn Rita?“, fragte ich mit zusammengekniffenen Augen.
    „ Kannst du dir doch denken, Schatz. Wir nutzen die zwei Tage, um die Scheidung zu regeln.“
    „ Nur zwei Tage?“
    Ich war wie am Boden zerstört und zugleich fassungslos über meine absurden Gefühlskapriolen.
    „ Keine Sorge.“
    „ Was?“
    Er kaute genüsslich am Nutellabrot und grinste mich an.
    „ Jetzt sag schon!“
    „ Ich hätte da eine Geschäftsidee, die uns auch privat sehr nützlich wäre.“
    „ Lass hören.“
    „ Bio und Öko und der ganze Käse...“
    „ Vorsicht!“, warnte ich ihn und begann wirklich sauer zu werden.
    „ Das ist schwer im Kommen, ehrlich, ich hab mich da erkundigt. Du bist quasi Vorreiterin mit deinem Geschäft.“
    „ Na und?“
    „ Schon mal was vom Franchise-System gehört, junge Dame?“
    „ Das ist doch wohl nicht dein Ernst!“
    „ Oh doch. Du standardisierst dein Angebot, lässt dir die Idee patentieren und wirbst Franchise-Nehmer an, zuerst bundesweit, dann auch in anderen europäischen Ländern.“
    „ Und was soll das bringen?“
    „ Geld, Baby, schweinemäßig viel Geld, wenn du’s richtig anpackst. Und natürlich eine Verbreitung des guten Gedankens.“
    „ Du spinnst ja. Wo soll da überhaupt der private Ansatz sein?“
    „ Ganz einfach, meine Firma hat einen Stiftungsfonds für neue Geschäftsideen, und ich bin zufällig der Stiftungsvorsitzende.“
    „ Und?“
    „ Und?! Da sind natürlich laufend Besprechungen nötig. Ich komme herüber, du kommst hinüber, wir treffen uns irgendwo anders, alles auf Geschäftskosten.“
    „ Auf gut Deutsch: Das wird eine Fickbeziehung.“
    „ Was denn sonst?“
    Ich hob mein Brot zum Mund - „Einverstanden.“ – und biss hinein. Beim Kauen strahlte ich ihn an. Und fühlte mich so bescheuert glücklich.
    „ Na bestens. Wie wär’s denn gleich nächste Woche mit einem Antrittsbesuch bei mir drüben?“
    „ Nicht so schnell. Was soll denn aus meinem Laden hier werden bei all dem Hin und Her?“
    „ Wie man hört, sollst du einen sehr talentierten jungen Aushilfs-Gemüsesortierer beschäftigen. Kannst du den nicht zum eigenverantwortlich handelnden Gemüseverkäufer machen? Das müsste er doch gerade so draufhaben.“
    Er lächelte spitz, griff nach der Kaffeekanne, und ich haute ihm auf die Hand.
    „ Du bist gemein.“
    „ Ach was, ist ja nur Spaß. Wo steckt der Kleine überhaupt?“
    „ Keine Ahnung.“
    „ Ach ja?“
    Auf einmal, das erste Mal, seit Wendelin hier war, wurde mir wieder unwohl wegen Sebastian. Es fühlte sich an wie die erste Andeutung von Nüchternwerden in einem grandiosen Rausch.
    „ Ist eine blöde Geschichte.“
    „ Erzähl mal.“
    „ Er hat gestern Geld genommen und ist verschwunden. Allerdings ist die Tür seiner Kammer von innen verschlossen. Oder auch von außen, keine Ahnung, jedenfalls gibt es eigentlich gar keinen Schlüssel.“
    „ Geld genommen?“
    Er machte die Geste des Klauens, und ich seufzte zur Bestätigung. Mit einem Schnauben schüttelte er den Kopf, und sein Gesicht zeigte eine

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