Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Infektiöse Visionen (German Edition)

Infektiöse Visionen (German Edition)

Titel: Infektiöse Visionen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
Vom Netzwerk:
klar, dass ich rasend verliebt in sie war. Ihre Reaktion damals, sich nach dem ersten Kuss wieder zurückzuziehen, hatte ich respektiert. Sie hatte natürlich geglaubt, so kurz nach dem Tod meiner vorangegangenen Freundin sei ich nur auf der Suche nach Trost gewesen. Aber es war mir ernst.
    Ich begann darüber nachzudenken und Pläne zu schmieden, wie es mit uns weitergehen könnte nach der Rückkehr von ihrer Geschäftsreise. Dass etwas anderes hinter der Illusion von Verliebtheit stecken könnte, um mich am Davonlaufen zu hindern, kam mir nicht in den Sinn.
    Natürlich drängte es mich, Clarissa auszufragen, als sie nachmittags gegen drei in den Laden herunterkam, um mir noch einmal eine Kanne Kaffee zu bringen. Eigentlich trank ich überhaupt keinen Kaffee, nur Cola, und selbst das hatte ich mir ja abgewöhnt. Aber ich wollte nicht unhöflich sein und schon gar nicht diese erste und einzige kleine Verbindung zwischen uns zerstören, die sich da aufgetan hatte.
    „ Du wirst dich daran gewöhnen“, sagte sie ziemlich grob, als sie mir die Kanne neben die Kasse stellte.
    „ Woran?“
    „ Du weißt schon. Und, kommst du zurecht?“
    „ Ja, ganz gut. Hat sich Vera schon gemeldet?“
    „ Nein.“
    „ Kann man sie denn irgendwie erreichen?“
    Clarissa schüttelte den Kopf.
    „ Wenn was ist, dann weißt du ja, wo ich bin.“
    Sie drehte sich um und wollte wieder verschwinden.
    „ Ich bringe die Kanne dann hoch“, sagte ich, um irgendwas zu sagen.
    „ Schon recht“, grummelte sie zurück, ohne sich umzudrehen. Ich wollte nicht, dass sie ging, überlegte fieberhaft, womit ich sie aufhalten könnte.
    „ Worum geht’s?“
    Sie war in der Tür stehen geblieben und hatte sich mir wieder zugewandt.
    „ Was?“, fragte ich irritiert.
    „ Du willst doch noch irgendwas.“
    Ich nickte.
    „ Sie haben doch damals gesagt, äh...“
    Meine Stimme klang belegt. Ich räusperte mich, wollte weitersprechen, wusste nicht wie.
    „ Ja, es hat sich was geändert.“
    Ich schaute sie an.
    „ Das ist doch deine Frage, oder? Ob dieses Ding noch in deiner Nähe ist?“
    Ich wiegte den Kopf und nickte schließlich.
    „ Dann wärst du nicht so besorgt. Du fühlst dich befreit, aber ahnst, dass es nicht zu Ende, sondern schlimmer geworden ist. Das Schlimmergewordensein hat nur noch nicht angefangen.“
    „ Aber wieso? Was ist passiert?“
    „ Woher soll ich das wissen?“
    „ Sie wissen aber doch eigentlich immer alles.“
    „ Gar nichts weiß ich. Ich beobachte nur.“
    „ Aber...“
    „ Du hast uns bestohlen und das Geld dann wieder zurückgegeben. Also muss sich was geändert haben. Das ist alles, was ich weiß.“
    „ Und Sie dulden mich jetzt hier?“
    „ Ich kann nichts dagegen machen. Und du kannst ja auch nichts dafür.“
    „ Wer dann?“
    Sie schnaubte und verdrehte die Augen zur Decke.
    „ Niemand. Es passiert, wie es eben passiert. Lass dich überraschen, wie es weitergeht.“
    Sie drehte sich um und wollte verschwinden.
    „ Moment bitte.“
    „ Was denn noch?“
    „ Die ganzen Leute, die da zu Ihnen kommen, Ihre Klienten...“
    „ Was ist mit denen?“
    „ Denen helfen Sie doch irgendwie. Sonst würden sie nicht wiederkommen, oder? Niemand zahlt 100 Mark für fünf Minuten Kartenlegen, wenn ihm das letztlich überhaupt nichts bringt.“
    „ Es bringt ihnen natürlich was, nämlich gute Gefühle. Außerdem dauern die Sitzungen mindestens eine Stunde.“
    „ Gute Gefühle! Heißt das, es ist alles bloß Illusion?“
    „ Mit Illusion meinst du wohl Schwindel, oder? Ich will dir mal was sagen: Das Ganze ist schon ein bisschen komplexer.“
    „ Sehen Sie in die Zukunft oder nicht? Ich meine das ist doch eigentlich unmöglich, oder?“
    „ Wenn du so fragst, weiß du doch die Antwort schon.“
    Ich schüttelte den Kopf und schnaufte wie nach einem 100-Meter-Lauf, denn jetzt waren wir genau bei dem Thema, das mich hauptsächlich beschäftigte. Nie wollte ich das jemandem erzählen, aber wie sollte ich denn je klar sehen, wenn ich nicht damit herausrückte? Wenn überhaupt jemand mich nicht für völlig verrückt halten, sondern mir vielleicht helfen würde, dann Clarissa Tangel.
    „ Da war ein Buch im Wald“, sagte ich und zwang mich, wieder ruhig zu atmen und meine Stimme unter Kontrolle zu bringen. „Damit fing überhaupt alles an. In diesem Buch standen Botschaften an mich, und alles, was da stand, war zu dem Zeitpunkt schon passiert, als ich es las. Nur – geschrieben worden war es, bevor es

Weitere Kostenlose Bücher