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Infektiöse Visionen (German Edition)

Infektiöse Visionen (German Edition)

Titel: Infektiöse Visionen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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will?“
    „ Das ist doch plötzlich genau das Gegenteil von dem, was Sie mir bei der letzten Sitzung hier oben geraten haben!“
    „ Na und?“
    „ Na und!“
    „ Ja, na und! Jetzt weißt du immerhin, dass er stärker ist als du und Verweigerung nichts bringt.“
    „ Toll! Auf diesen Rat hin habe ich... Ach, scheiß drauf.“
    Das Buch drückte mich beim Sitzen noch viel mehr. Ich bekam Bauchweh, musste jetzt wirklich aufs Klo.
    „ Was? Was hast du auf meinen Rat hin?“
    „ Weil es einfach nicht möglich war, mich zu widersetzen, habe ich mich selbst an einem Ort angekettet, an dem ich verhungert und verdurstet wäre, nur um dem Ding in mir zu zeigen, dass es keine Chance hat, mich zu besitzen, und deshalb besser aus mir verschwindet.“
    „ Aber du sitzt doch hier vor mir.“
    „ Es war auch nur ein Trick. Ich habe Spuren hinterlassen, damit Vera mich rechtzeitig findet.“
    „ Ts!“
    „ Ja, ts!“
    „ Sehr dramatisch, aber ich hätte dir gleich sagen können, dass so was nicht funktioniert. Das ist so als wolle ein Auto seinen Fahrer austricksen, indem es so tut als sei es kaputt.“
    „ Dann steigt der Fahrer aber aus.“
    „ Ja – und lässt es reparieren.“
    „ Sie meinen, das Ding würde gar nicht zulassen, dass mir was passiert?“
    „ Natürlich nicht. Es scheint dich ja zu brauchen.“
    „ Aber wofür, verdammt noch mal?“
    „ Das musst du eben herausfinden.“
    „ Und wie?“
    „ Schreib alles auf, was damit zu tun hat.“
    „ Das hab ich doch schon.“
    „ Keinen Roman, sondern nur die Fakten: Wann und wo ist dir das Ding begegnet, wann hast du es zuerst bemerkt, was hast du alles getan, was du selbst nicht getan hättest, welche Absonderlichkeiten sind dir am Rande aufgefallen... Eine Liste auf einer Seite, mehr nicht. Um das Muster zu erkennen.“
    „ Hm.“
    „ Setz dich da in die Ecke und tu’s.“
    „ Ich soll mich in die Ecke setzen?“
    „ Wir brauchen den Knackpunkt der ganzen Geschichte. Streng deinen Kopf mal ein bisschen an.“
    „ Den Knackpunkt – was, wenn ich mich genau daran überhaupt nicht erinnern kann?“
    „ Dann sag mir, was dich glauben lässt, dass du dich nicht erinnern kannst.“
    „ Wenn ich diese Dinge tue, dann bringe ich manchmal Sachen mit.“
    „ Was für Sachen?“
    „ Knochen und...“
    „ Was?“
    „ ...und das, äh... Veras...“
    Ich wollte es ihr sagen – und hatte auf einmal das Gefühl, jemand schnüre mir das Gehirn ab. Ich wollte es tun, nach hinten greifen. Eine Lähmung befiel meinen Körper, machte mich steif wie eine fest zusammenbandagierte Mumie. Ein Zittern schüttelte mich, als ich begann dagegen anzukämpfen, langsam nach hinten griff, das Buch packte, es aus dem Hosenbund zog. Es war mir, also wolle mir jemand den Arm brechen.
    „ Was ist das?“, fragte Clarissa, als sie das rotgebundene Büchlein vor sich liegen hatte.
    „ Ich nehme an, das ist... ein Tagebuch oder so.“
    „ Von Vera?“
    Ich nickte.
    „ Du warst in ihrer Wohnung?“
    Nickte weiter.
    „ Und hast in ihren Sachen gestöbert?“
    „ Nicht ich, es war...“
    Natürlich war ich es gewesen, und deshalb wusste ich nicht weiter.
    „ Und was willst du damit?“
    „ Ich weiß es nicht. Lesen, vermutlich.“
    Die Gewalt, die mich zusammengepresst hatte, ließ nach, und ich spürte ein Gefühl der Befreiung, das weit über das Überwinden der Lähmung hinausreichte. Ich hatte einen ersten kleinen Sieg errungen. Einen zweiten Sieg, wenn ich das Anketten hinzurechnete, das ebenfalls nur gegen massiven inneren Widerstand möglich gewesen war.
    „ Was könnte da drin stehen“, fragte Clarissa, „das dem Ding nützlich sein könnte? Hat Vera die Lösung gefunden?“
    „ Dann hätte sie mir das doch gesagt, oder?“
    „ Wer weiß. Meinst du, das Ding manipuliert nur dich selbst oder auch andere?“
    „ Ich glaube...“
    Da war etwas. Da war mehr, noch viel mehr als ich hätte sagen können. Ich war dabei gewesen und war es doch nicht.
    „ Denkst du, dass du mehr gesehen hast als du weißt?“
    „ Auf jeden Fall.“
    „ Dann gibt es einen Weg.“
    „ Einen Weg?“
    „ Dich zu erinnern.“
    „ Wie soll das gehen?“
    „ Ich versetze dich zurück in die Zeit, bevor du’s vergessen hast, und lasse dich erzählen.“
    „ Zurückversetzen – mit Hypnose oder so was?“
    „ Oder so was, ja. Aber du musst jetzt erst mal gehen, meine Klientin kommt gleich. In zwei Stunden kannst du wieder kommen.“
    „ Aber ich sollte mich doch in die Ecke

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