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Infektiöse Visionen (German Edition)

Infektiöse Visionen (German Edition)

Titel: Infektiöse Visionen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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Ich bin hier!“
    Seine Antwort klang so nah, dass wir erschraken.
    „ Da.“
    Der erste Kellerraum am Gang, der sich der Treppe anschloss, hatte keine Tür. Wendelin leuchtete hinein – und der Anblick, der sich uns bot, entsetzte uns bis ins Mark. Rita keuchte so tief aus der Kehle, dass es für mich klang als würde sie gleich ersticken.
     

    Sebastian kauerte am Boden wie ein verängstigtes Tier. Im Funzellicht der Taschenlampe sah sein Gesicht gequält aus, unter Schock stehend. Geblendet zwickte er die Augen zusammen und schützte sie mit der rechten Hand. Die linke Hand konnte er nicht heben – sie steckte in einem der beiden Ringe einer metallisch glänzenden Handschelle. Der andere Ring war um eine Art Rost im unteren Mauerbereich geschlossen, und die bodennahe Fixierung zwang Sebastian in die kauernde Haltung.
    „ Wer hat dich hier angekettet?“, fragte Wendelin. Es klang mehr streng als mitfühlend, und er machte auch keine Anstalten, zu helfen. Stehend leuchtete er auf Sebastian hinunter und wiederholte: „Wer hat das getan?“
    Rita hatte sich inzwischen neben ihrem Sohn auf die Knie geworfen und umarmte ihn theatralisch, während Herr Franz versuchte, die Handschellen irgendwie zu lösen, aber sie schnitten fest ins Handgelenk.
    „ Wer war das?“, fragte Wendelin abermals.
    „ Ich selbst“, sagte Sebastian leise, und sein Vater nickte, als habe er diese Antwort vorhergesehen.
    „ Wo ist der Schlüssel?“
    Sebastian machte eine Bewegung mit dem Kopf in die andere Ecke des Raumes.
    „ In meiner Tasche da hinten.“
    Wortlos drehte sich Wendelin um, holte die Tasche, suchte darin herum, fand Sebastians gewaltigen Schlüsselbund und zog ihn klirrend hervor.
    „ Kannst du mir vielleicht auch sagen, welcher Schlüssel?“
    „ Irgendein kleinerer.“
    Wendelin betrachtete das Sammelsurium von großen und kleinen Schlüsseln, derweil sich Rita von Sebastian löste und Seite an Seite mit Herrn Franz aufstand, um bei der Suche zu helfen. Wendelin verlor das Interesse und gab das Knäuel bereitwillig an die beiden ab. Ich übernahm die Taschenlampe, und in dem Moment sah ich seinem Gesicht an, dass etwas in ihm austickte. Von plötzlicher Wut ergriffen, beugte er sich hinunter und verpasste Sebastian eine fürchterliche Ohrfeige.
    „ Du bist das Allerletzte!“, schrie er mit einem Groll in der Stimme, der mir Angst machte. „Eine Schande bist du für uns alle, du...“
    Er holte noch einmal aus, wollte diesmal mit dem Handrücken zuschlagen. Sebastian hob seine freie Hand, um sich zu schützen, da lösten wir anderen uns aus unserer Erstarrung, gingen fast gleichzeitig dazwischen, und der Schlüsselbund fiel klirrend zu Boden.
    Die Aggression sprang auf uns über. Wir vergaßen schlagartig, wer und wo wir waren. Verbissen hing ich an Wendelins Schlaghand, Herr Franz am anderen Arm, und Rita krallte sich um Wendelins Brustkorb. Er begann sich zu wehren, und aus dem Handgemenge wurde ein Kampf. Knurrend wie Tiere rangen wir miteinander, als seien wir einzig zu diesem Zweck hierher gekommen.
    Sebastian, den wir dabei vergessen hatten, musste sich derweil seinen Schlüsselbund geangelt haben. Wir merkten erst, dass er frei war, als er in den Kampf eingriff, sich wie eine Furie auf uns stürzte, aber eigentlich nur einen angriff: seinen Vater.
    Wendelin hörte sofort auf, sich gegen uns zu wehren. Er klammerte sich mit beiden Händen an Sebastian, und die beiden rissen so hasserfüllt aneinander, schlugen aufeinander ein, traten sich und bissen sogar nach einander, dass ich der Überzeugung bin, sie hätten sich umgebracht, wären wir nicht auch noch da gewesen.
    Ich weiß nicht, wie lange wir kämpften. Ohne ein Wort gesprochen zu haben, hatte es sich ergeben, dass Rita und ich uns Sebastian packten und ihn von Wendelin weg zerrten, während Herr Franz mit aller Gewalt Wendelin von Sebastian trennte. Das Fauchen und Knurren der kämpfenden Männer und unser Keuchen ist mir noch heute in den Ohren.
    Die Gewalttätigkeiten endeten nicht, weil irgendeine Partei stärker war und sich durchgesetzt hätte, sondern weil wir uns verausgabt hatten, alle Energiereserven verbraucht, und irgendwann über den Kellerraum verteilt auf dem Boden sanken, uns zusammenkauerten, jeder in einem anderen Winkel, keuchend, ausgepumpt, voll Beulen, Kratzer, blauer Flecken und ratlos darüber, was passiert war.
    Die Taschenlampe lag in der Mitte des Raumes und leuchtete den Riesen-Schlüsselbund an und das glänzende Metall

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