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Infektiöse Visionen (German Edition)

Infektiöse Visionen (German Edition)

Titel: Infektiöse Visionen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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setzen.“
    „ Such dir unten eine Ecke.“
    Ich schaute auf Veras Buch und wollte schon die Hand ausstrecken.
    „ Das bleibt natürlich hier.“

Kapitel 27: Suche nach Stubenfeuer
     

    Ich brauchte keine Ecke zum Nachdenken, ich wusste schon, was zu tun war. Ich ging in den Laden und holte aus dem Schubfach unter der Kasse das Telefonbuch.
    In der Stadt gab es keinen einzigen Stubenfeuer. Ich ging die Einträge aller Landkreis-Gemeinden durch – nichts. Wie hieß noch mal der andere Kerl? Müller, Meier? Irgendein Massenname war es gewesen. Meine Aufzeichnungen lagen immer noch in Veras Wohnung. Leider hatte ich sie dort vergessen, sonst hätte ich einfach nachschauen können.
    Schmidt hieß er, Harry Schmidt, jetzt fiel es mir wieder ein. Zuerst rief ich alle „Schmidt, H.“ an, dann gab es da einen „Schmidt, Harald“, zwei „Schmidt, Hartmut“. Es war abends, alle waren zu Hause, aber keiner wanderte, kannte die Friedrichsruh oder einen Egon Stubenfeuer. Es war wie verhext. Eine Stunde hatte ich noch. Also wählte ich sämtliche Schmidts des ganzen Telefonbuchs an.
    Als es so weit war, wieder in den zweiten Stock zu gehen, hatte ich die Stadt durch und den Landkreis größtenteils. Fünf Schmidts waren nicht daheim gewesen, die hatte ich mir markiert. Aber vielleicht waren sie gar nicht mehr nötig. Denn ich hatte einen Treffer gehabt: Schmidt, Sigrun. Ihr Vater hieß Harry, wanderte gern, aber war leider vor einigen Wochen verstorben. Ob er einen Egon Stubenfeuer gekannt hatte, verneinte Sigrun Schmidt, aber sie hatte bei der Antwort gezögert.
     

    „ Schau an, da kommt er ja.“
    Für eine Sekunde begriff ich nicht, wen ich vor mir hatte, denn sie war ja angeblich verreist.
    „ Vera!“
    Sie kam gerade aus Clarissas Wohnung, als ich anklopfen wollte. In der rechten Hand hielt sie ihr kleines rotes Buch. Ich schielte darauf, und auf einmal trafen mich Peinlichkeit und Schamgefühl mit einem Schlag. Sie wusste jetzt, dass ich in ihrer Wohnung gewesen war. Nachdem ich am Tag zuvor ihre Ladenkasse ausgeräumt hatte. Mein Puls jagte, das Blut schoss mir ins Gesicht. Sie lächelte mich an. Und ich war so verknallt in sie. So was ... Ähnliches wie verknallt.
    „ Ich denke, du bist auf Geschäftsreise“, stammelte ich, weil mir nichts Besseres einfiel.
    „ Noch nicht.“
    „ Aber wo warst du dann?“
    „ Tja.“
    Wieder schielte ich auf das Buch, ich konnte es nicht verhindern.
    „ Das würdest du wohl gern lesen?“
    „ Das äh... dazu muss ich sagen... also weißt du, das klingt jetzt zwar blöd...“
    „ Schon gut, ich weiß, was los ist. Außerdem hab ich deinen Bericht doch auch gelesen. Da ist es nur recht und billig, dass du meinen zu lesen bekommst.“
    Sie lächelte. In ihrem Lächeln lagen so viel Zuneigung und Freundlichkeit und Aufgeschlossenheit und Verschworenheit und Bosheit und Gemeinheit und blanker Hass.
    „ Meinst du?“, fragte ich irritiert.
    „ Aber natürlich. Ich möchte nur noch was nachtragen. Ich bin gestern nicht mehr dazu gekommen, alles über unsere Erlebnisse in den Friedrichsruh-Gewölben zu schreiben.“
    „ Aber da war ich doch dabei.“
    „ Nicht die ganze Zeit in unserer Nähe. Und vielleicht interessiert dich ja meine Sicht der Dinge.“
    Meine Irritation vertiefte sich. Ich spürte, wie blöde mein Gesicht aussehen musste, und deshalb schloss ich kurz die Augen, zwang mich, aus meinem Kopf zu verbannen, was gewesen war, und mich auf das Wesentliche zu konzentrieren.
    „ Ich muss mit dir reden Vera.“
    „ Schieß los.“
    „ Äh, vielleicht ja nicht hier zwischen Tür und Angel.“
    „ Ist schon in Ordnung.“
    Sie machte keine Anstalten, sich von ihrem Standort in Clarissas Wohnungstürrahmen zu bewegen, lächelte immer noch ihr lieblich-fieses Grinsen, und so fasste ich mir ein Herz und sagte es eben hier:
    „ Vera, es ist so: Ich liebe dich.“
    Ihr Lächeln verstärkte sich um eine Stufe, während die Heimtücke darin um zehn Stufen heller glühte. Ich war viel zu befangen, um mich davon ablenken zu lassen. Sie sagte nichts, und deshalb redete ich weiter.
    „ Ich weiß, du denkst jetzt bestimmt, so kurz nach Myriams Tod kann das gar nicht sein oder ich suche mir nur Ersatz in dir, aber ich bin mir über meine Gefühle im Klaren, und es ist auch nicht nur Verliebtheit, sondern viel mehr, weißt du, das ist...“
    „ Ja?“
    „ ...über meine Gefühle im Klaren...“, hatte ich gesagt. Es kam mir vor, als hätte ich einen Bühnentext

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