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Infektiöse Visionen (German Edition)

Infektiöse Visionen (German Edition)

Titel: Infektiöse Visionen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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heruntergebetet. Und ich hatte noch mehr Dialog:
    „ Das ist reine Liebe, ich kann’s nicht anders sagen. Bitte geh nicht weg, ich will mit dir zusammen sein. Was passiert ist, tut mir leid. Vielleicht, also wenn, es muss ja nicht gleich sein, wir können ja...“
    Ich verhaspelte mich, wusste nicht mehr weiter, es war Zeit für ihren Text:
    „ Das ist ganz arg lieb von dir. Weißt du was, ich schreibe jetzt erst mal meinen Bericht fertig. Morgen früh gebe ich dir dann das Buch hier, und du kannst alles lesen. Derweil gehst du wieder hinunter in deine Kammer und machst dir auch noch mal deine Gedanken.“
    „ Aber eigentlich, äh... Clarissa wartet auf mich, wir wollten...“
    „ Sie lässt dir ausrichten, dass es heute nicht mehr klappt. Sie ist völlig ausgelaugt von ihrer letzten Klientin und hat sich schon hingelegt.“
    Vera trat demonstrativ einen Schritt vor, verließ damit Clarissas Flur und zog ihre Wohnungstür zu. Mir gefiel das nicht. Ich wollte zumindest noch mal mit Clarissa reden, aber Vera schien nicht bereit, die Tür freizumachen.
    „ Gute Nacht, Sebastian“, sagte sie seelenvoll und lächelte ihr freundlich-gemeines Grinsen. Ich kam nicht dagegen an, das war alles so inszeniert. Ich wollte ausbrechen, dagegen anhandeln, aber musste doch meine Rolle spielen. Also nickte ich und trat rückwärts zur Treppe.
    „ Gute Nacht, Vera.“
    Als sie sah, dass ich bereit war zu gehen, verließ sie ihren Kommandoposten an der Tür und folgte mir mit zwei Schritten Abstand die Treppe hinab. Als wir in ihrem Stockwerk ankamen, blieb sie an der Treppe stehen und signalisierte mir damit, dass sie da verharren würde, bis ich verschwunden wäre, die Tür zu meiner Kammer verschlossen hätte und keinen Versuch mehr machen würde, Clarissa heute noch zu sprechen. Ich wollte fragen, wo sie denn nun eigentlich gewesen war in der Nacht zuvor. Aber dieser Text war nicht vorgesehen. Langsam, müde geworden und resignierend stapfte ich die Treppe hinab.
    Es war klar, dass ich Egon Stubenfeuer nicht mehr ermitteln würde, bei allen Schmidts der Welt nicht. Dennoch war es als Handlung vorgesehen, dass ich die lokalen und regionalen Einträge abtelefonierte.
    Danach schlich ich in meine Kammer, sank aufs Bett und war weg. Ich träumte, Vera sei mein ärgster Feind und plane Schlimmeres mit mir als mich umzubringen.
     

    Wach wurde ich am nächsten Morgen schon kurz nach sechs. Draußen im Hof trommelte beharrlicher Regen auf die Deckel der Mülltonnen und den Geräteunterstand mit dem Wellblechdach. Ich lauschte diesem Trommeln und fragte mich, was in Veras Bericht wohl zu lesen sein würde. Vielleicht lag darin die Lösung der ganzen Geschichte. Sie wusste viel, wusste mehr als ich auf jeden Fall, aber war sie geeignet, mir zu helfen?
    Damals, im Rosensaal, als ich sie das erste Mal näher kennengelernt hatte, hätte ich das unbedingt bejaht. Aber seit ich hier lebte, war sie mir beständig fremder und unheimlicher geworden – von fremd zu noch fremder, und mit der Aura des Unheimlichen hatte sie mich eingefangen, verliebt gemacht. So war es doch.
    „ Ich gehe jetzt nach oben und hole mir ihr Buch!“

Kapitel 28: Ein glimmender Punkt von Hass
     

    Das war der letzte Satz, den ich heute früh in diesen meinen zweiten Bericht geschrieben habe.
    Nun habe ich Veras Bericht gelesen.
    Es ist Mittag.
    Sie ist nicht da. War schon heute Morgen, als ich das Buch abholen wollte, nicht dagewesen. Clarissa hatte es mir übergeben.
    „ Komm heute Abend gegen acht Uhr mal hoch, damit wir die gestrige Sitzung nachholen“, hatte sie gesagt und mich, wie es mir schien, etwas besorgt angeschaut. Hatte sie Veras Bericht gelesen? Da ich ihn nun kannte, hätte ihr Blick durchaus dazu gepasst. Und wo war Vera nun?
    Auf Geschäftsreise. Diesmal tatsächlich, hieß es, definitiv abgereist. Um halb sechs sei das Taxi hier gewesen, und sie habe ihre große Reisetasche in den Kofferraum verladen lassen.
    Warum hatte sie nicht ihren Lieferwagen genommen? Hier wurde er nicht gebraucht, die nächste Partyservice-Order war erst in der folgenden Woche. Biobauernhöfe per Bus und Bahn abzuklappern, stellte ich mir ziemlich zeitraubend und umständlich vor.
    Ich öffnete den Laden wie in Trance und nahm derlei Ungereimtheiten ungeheuer wichtig, um nicht in den Abgrund dahinter sehen zu müssen. Ihrem Bericht war ja zu entnehmen, mit wem sie wohl in Wahrheit verreiste. Und mit wem sie die Nacht vor ihrer Abreise verbracht hatte, allem Vermuten

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