Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Infektiöse Visionen (German Edition)

Infektiöse Visionen (German Edition)

Titel: Infektiöse Visionen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
Vom Netzwerk:
Problem“, unterbrach er mich so schroff, als sei ich die Oberschmiererin. „Mich wundert nur, was für abstruse Wirrköpfe sich da mitten im Wald herumtreiben!“
    „ Zu welchem Zweck haben Sie denn das Buch überhaupt ausgelegt?“
    „ Für Wanderer. Deshalb ja auch der Name Wanderer-Gästebuch.“
    „ Gibt’s denn da so viele?“
    „ Was denken Sie denn, wir leben in einer Ferienregion.“
    Sein Gesichtsausdruck von Verärgerung verzerrte sich unter Schmerzen. Er rückte seine Hüfte zurecht und versuchte sich zu beruhigen. Das erste Mal seit unserer Begegnung hatte er gelogen. Ich spürte es oder sah es ihm an, wahrscheinlich beides.
    „ Warum sind Sie und Ihr Bruder da eigentlich ständig hingewandert?“
    „ Weil’s da schön ist, was sonst.“
    „ Ja, und mal gab’s Sonnenschein, mal Regen, die Vögel haben gepiept, und der Wind hat in den Blättern gerauscht – musste das wirklich alles dokumentiert werden, jeden Tag die selben Belanglosigkeiten, oder steckte da mehr dahinter?“
    „ Ich weiß nicht, was Sie meinen.“
    „ Warum haben Sie das Buch dann wieder entfernt? So weit ich weiß, war es erst halb voll.“
    „ Weil mir das zu blöd wurde, was diese Wirrköpfe da ständig, na, dieses Geheimnisvolle untereinander. Die haben das für Geheimbotschaften, also... so kam mir das zumindest vor. Wirklich, einfach zu blöd.“
    „ Zu blöd oder zu unheimlich?“
    „ Wieso denn unheimlich?“
    Wieder änderte er die Sitzhaltung. Ich zog mir meinen Hut ein bisschen aus der Stirn und schaute zur Seite.
    „ Steht das Buch da oben im Regal?“
    „ Was genau suchen Sie eigentlich?“
    Er schaute mich durchdringend an. Ich kannte diesen Blick. So schauten die Leute, die als Klienten an meinen Tarot-Tisch kamen.
    „ Sie wissen genau, dass es da draußen spukt, Herr Stubenfeuer, denn das war der Grund für ihre täglichen Besuche, und es war auch der Grund, das Buch auszulegen. Sie hofften, durch die Einträge mehr über die Schlossruine zu erfahren.“
    „ Und wenn schon. Meinetwegen, nehmen wir mal an, es wäre so. Sie scheinen da ja fest dran zu glauben.“
    „ Und Sie möchten es nicht, aber werden durch irgend etwas gezwungen, daran zu glauben, ist es nicht so?“
    Er lehnte sich zurück, rieb sich die Hüfte und schaute zur Decke. Sein Blick verschwamm.
    „ Waren Sie schon mal dabei, wenn jemand stirbt? Haben Sie schon mal jemand in dem Moment berührt, in dem er seine Form verliert“, frage er mich. Ich schüttelte langsam den Kopf.
    „ Harry hat noch kurz gelebt, wissen Sie. Wir...“
    Er räusperte sich.
    „ Wir hatten uns erst vor etwa fünf Jahren kennengelernt. Mein Vater, also... meine Mutter, nachdem sie ihn verlassen hatte, danach hat sie wieder geheiratet, den Vater von Harry eben, und ist weggezogen. Das spielt eigentlich alles keine Rolle. Dachte ich zumindest.“
    „ Aber?“
    „ Wenn Sie von Geistern sprechen, meinen Sie dann auch Flüche und solche Sachen?“
    Ich hob die Schultern.
    „ Kann alles dazugehören.“
    „ Dieses Gerüst draußen, es steht bombenfest, die Polizei hat es untersucht. Und doch ist es an einem windstillen Tag so weit gekippt, dass es Harry runterhaute, einfach so. Es fühlte sich an, als drücke eine Riesenhand dagegen. Das war das. Dann mein Vater, er starb an einem Blitzschlag. So was kann passieren, aber bei meinem Großvater war es eine Felsenlawine, die einfach so abging, hier bei uns im Mittelgebirge. Haben Sie so was schon mal gehört? Unsere Familiengeschichte ist ziemlich gut dokumentiert, wissen Sie. Kein männlicher Vorfahre starb eines natürlichen Todes.“
    „ Nun war aber Ihr Bruder...“
    „ Gar nicht Teil der Erblinie, Sie haben recht. Eigentlich hätte es mich erwischen müssen. Aber ich überlebte. Und wissen Sie was? Bei mir gibt es auch eine Besonderheit: Ich habe keine Nachkommen, und ich werde keine mehr haben. Ich will dem Wahnsinn nämlich ein Ende bereiten.“
    „ Wie weit haben Sie die Familiengeschichte denn zurückverfolgt?“
    „ Bis ins... ach Gott, bis ins 17. Jahrhundert. Heinrich Stubenfeuer und seine Frau starben, als die Friedrichsruh niederbrannte, jedenfalls wurden die beiden danach nie mehr gesehen. Ihr Sohn Jean hat den Grund hier gekauft und angefangen, die Friedrichsruh-Anlagen nachzubauen.“
    „ Das soll eine Nachbildung sein?“
    „ Hätte werden sollen. Er starb bei einem Reitunfall und hinterließ eine Bauruine. Sein Sohn Waldemar Stubenfeuer stellte die Eingangshalle fertig, bevor er im

Weitere Kostenlose Bücher