Infernal: Thriller (German Edition)
die er mir über den Tisch hinweg zuschiebt. Es ist ein Porträt einer jungen Frau mit dunklen Haaren, ein versteckter Schnappschuss, wahrscheinlich von einem Familienmitglied gemacht. Es ist ein gutes Stück aus der Horizontalen, und ich denke, dass es vielleicht von einem Kind gemacht wurde. Doch das ist es nicht, was mich erschauern lässt.
»Das ist sie! Verdammt! Wer ist sie?«
»Das letzte bekannte Opfer«, antwortet Baxter.
»Wie lange ist ihr Verschwinden her?«
»Viereinhalb Wochen.«
»Wie groß war der Abstand zwischen ihr und dem Opfer vor ihr?«
»Sechs Wochen.«
»Und davor?«
»Vierundfünfzig Tage. Siebeneinhalb Wochen.«
Die kürzer werdenden Abstände zwischen den Entführungen entsprechen dem, was ich gelesen habe. Eine Theorie besagt, dass Serientäter zunehmend Geschmack an ihren Taten finden, und während ihr Selbstvertrauen wächst, versuchen sie immer häufiger, ihre Fantasien zu verwirklichen. Eine andere geht davon aus, dass sie anfangen zu »dekompensieren«, dass die Neurosen, die sie zu ihren Handlungen treiben, ihren Verstand allmählich zersetzen und sie in Richtung Gefasstwerden oder gar in den Tod treiben, und dass der Weg dorthin aus immer schneller aufeinander folgenden Morden besteht.
»Also denken Sie, dass er sich bald das nächste Opfer sucht?«
Die beiden Männer wechseln einen Blick, den ich nicht zu deuten vermag. Dann nickt der Psychiater unmerklich, und Baxter wendet sich mir zu.
»Miss Glass, vor etwa einer Stunde verschwand eine junge weiße Frau von einem Parkplatz vor einem Supermarkt in New Orleans.«
Ich schließe die Augen. Jane hat eine weitere Schwester im schwarzen Loch ihrer gegenwärtigen Existenz. »Sie glauben, dass er dahinter steckt?«
Lenz antwortet als Erster. »Wir sind so gut wie sicher.«
»Und wo genau ist dieser Supermarkt?«
»In einem Vorort von New Orleans. Metairie.«
Er spricht es tatsächlich richtig aus: Me-ta-rie . Wahrscheinlich hat er es irgendwann in den knapp zwei Jahren aufgeschnappt, die er bereits an diesem Fall sitzt.
»Und welcher Supermarkt ist es?«
»Er heißt Dorignac’s. Liegt am Veterans Boulevard.«
Diesmal spricht er es falsch aus. »Dorn-jacks«, verbessere ich ihn. »Ich habe früher immer dort eingekauft. Es ist ein Familienbetrieb. Ähnlich der alten Schwegmann-Kette.«
Baxter notiert etwas. »Das Opfer hat sein Haus ein paar Minuten vor Ladenschluss verlassen, um 20:50 Uhr lokaler Zeit, um ein paar Würstchen für ihren morgigen Geburtstag einzukaufen. Sie wollte ihre Kollegen bei der Arbeit zu einem Imbiss einladen. Sie arbeitete als Rezeptionistin in einem Dentallabor. Gegen Viertel nach neun fing ihr Mann an, sich Sorgen zu machen. Er rief auf ihrem Autotelefon an und erhielt keine Antwort. Er wusste, dass der Supermarkt bereits geschlossen hatte, also holte er die Kinder aus dem Bett und fuhr hin, um nachzusehen, ob seine Frau vielleicht mit einer defekten Batterie liegen geblieben war.«
»Und er fand den leeren Wagen mit offener Tür?«
Baxter nickt düster.
So war es mit zwei Opfern vor Jane gewesen. »Klingt nach ihm.«
»Ja. Aber es könnte eine Reihe anderer Ursachen geben. Die Frau hat vielleicht einen anderen Mann auf der Straße gesehen. Sie trifft ihn im Laden, sie kommen ins Gespräch, vielleicht verabreden sie sogar einen Quickie im Wagen, und plötzlich beschließt sie, ein neues Leben anzufangen.«
»Und ihre Kinder zurückzulassen?«
»So was passiert.« Baxters Stimme klingt erfahrungsschwanger. »Aber nach Aussage des verantwortlichen Detectives war es nicht diese Art von Situation. Die andere Alternative wäre eine ganz gewöhnliche Vergewaltigung. Ein Typ mit einem Lieferwagen, der speziell dafür ausgerüstet ist, auf der Suche nach einer sich bietenden Gelegenheit. Er sieht, wie sie allein zu ihrem Wagen geht, und schnappt sie.«
»Hat es in den letzten Wochen ähnliche Vorfälle in der Gegend gegeben?«
»Nein.«
»Waren die anderen Opfer manchmal im Dorignac’s einkaufen? Jane muss hin und wieder dort gewesen sein.«
»Einige kauften gelegentlich dort ein, ja. Es gibt dort regionale Spezialitäten, die es in den übrigen Supermärkten nicht gibt. Die Detectives von Jefferson Parish verhören gegenwärtig das Personal, und unsere Abteilung in New Orleans nimmt die Lebensläufe der Leute auseinander, mithilfe der Computer hier in Quantico. Wir geben uns die größte Mühe, doch wenn es wie bei den anderen läuft ... kommt nicht das Geringste dabei heraus.«
Ich
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