Infernal: Thriller (German Edition)
Hintern schob.« Kaiser schluckt mühsam, als wäre sein Mund ganz trocken. »Und dann habe ich die Kontrolle verloren.«
»Was haben Sie getan?«
»Ich sprang über den Tisch. Ich wollte den Drecksack umbringen.«
»Wie nah kamen Sie heran?«
»Ich brach ihm den Kiefer und mehrere andere Gesichtsknochen. Ich habe seinen Kehlkopf verletzt und ihm ein Auge ausgeschlagen. Es gelang Baxter nicht, mich von ihm wegzureißen. Schließlich schlug er mich mit einem Kaffeebecher nieder. Der Schlag betäubte mich gerade lange genug, dass Baxter mich aus dem Raum zerren konnte. Der Mistkerl lag anschließend sechsundzwanzig Tage im Gefängnishospital.«
»Ach du meine Güte. Wieso haben Sie Ihren Job nicht verloren?«
Langsam schüttelt Kaiser den Kopf, als müsste er überlegen, wie viel er mir anvertrauen darf. »Baxter hat mich gedeckt. Er hat den Wächtern gesagt, der Häftling hätte mich angegriffen, und ich hätte mich lediglich verteidigt.« Kaisers Augen wandern erneut zu dem Liebespaar. »Ich schätze, jetzt bin ich bei Ihnen unten durch, wie? Wollen Sie mir nicht sagen, dass ich die Bürgerrechte dieses Kerls verletzt habe?«
»Das haben Sie, und das wissen Sie selbst. Ich kann den Grund dafür verstehen. Auch ich hatte mehr als einmal nicht die nötige Distanz zu meinen Bildern und bin nicht neutral geblieben. Doch Ihre Geschichte klingt, als wäre es eine verspätete Reaktion auf etwas anderes.«
Er sieht mich überrascht an. »Das stimmt, zugegeben. Eine Woche zuvor hatte ich ein kleines Mädchen verloren. Ich arbeitete an einer Serie von Sexualmorden in Minnesota und beriet die Mordkommission von Minneapolis. Wir standen kurz davor, den Täter zu fassen, ganz dicht davor. Aber bevor wir ihn schnappen konnten, erwürgte er ein weiteres kleines Mädchen. Wenn ich nur einen Tag schneller gewesen wäre ... Sie wissen schon.«
»Es ist Vergangenheit. Sind das nicht die Worte, die Sie benutzt haben? Man kann sie nicht ändern, also vergisst man sie besser.«
»Blödsinn.«
Seine Ehrlichkeit bringt mich zum Lächeln. »Sie haben eben ›Dschungelscheiße‹ gesagt. Das ist ein Ausdruck aus Vietnam, nicht wahr?«
Er nickt abwesend. »Ja.«
»Sie sehen eigentlich zu jung aus, um in Vietnam gewesen zu sein.«
»Ich war ganz am Ende da. Einundsiebzig und zweiundsiebzig.«
Womit er sechs- oder siebenundvierzig Jahre alt sein muss – falls er mit achtzehn drüben war. »Das Ende war aber erst dreiundsiebzig«, erinnere ich ihn. »Eigentlich sogar erst fünfundsiebzig. Einundsiebzig fanden noch richtig heftige Bodenkämpfe statt.«
»Das habe ich gemeint. Am Ende der Kämpfe.«
»Welche Waffengattung?«
»Army.«
»Wurden Sie eingezogen?«
»Ich wünschte, ich könnte die Frage bejahen. Aber nein, ich habe mich freiwillig gemeldet. Jeder Zivilist unternahm alles, um nur ja nicht eingezogen zu werden, und jeder Soldat unternahm alles, um Vietnam wieder zu verlassen, und ich bemühte mich hinzukommen. Ich wusste es nicht besser. Ich war ein Junge aus dem ländlichen Idaho, und ich war auf der Ranger School, die ganze Schulzeit hindurch.«
»Was haben Sie von den Journalisten drüben gehalten? Den Fotografen?«
»Sie hatten einen Job zu erledigen, genau wie ich.«
»Einen anderen Job.«
»Zugegeben. Ich habe ein paar kennen gelernt, die ganz in Ordnung waren. Andere blieben in ihren Hotels sitzen und schickten Einheimische nach draußen, um Bilder zu schießen. Feige Ratten.«
»So etwas geschieht mancherorts auch heute noch.«
»Ich habe Ihren Namen unter einer Reihe verdammt schlimmer Bilder gesehen. Sind Sie Ihrem Vater ähnlich?«
»Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht. Ich weiß nur das, was andere mir über ihn erzählt haben. Leute, die mit ihm zusammen auf dem Schlachtfeld gearbeitet haben. Ich glaube, als Fotografen sind wir verschieden.«
»Inwiefern?«
»Kriege ziehen verschiedene Charaktere an. Es gibt die Hoteltypen, von denen Sie gerade gesprochen haben, aber die zählen nicht. Dann gibt es die Möchtegern-Hemingways, die sich selbst auf die Probe stellen wollen. Andere wiederum brauchen die Gefahr, sie leben für den Adrenalinkick. Das sind die Verrückten, Typen wie Sean Flynn, die auf einem Motorrad mit der Kamera in der Hand mitten durch eine Kampfzone rasen. Und es gibt die Guten. Sie tun es, weil sie spüren, dass sie das Richtige tun. Sie kennen die Gefahr, sie haben eine Heidenangst, aber sie tun es trotzdem. Sie kriechen mitten hinein, dorthin, wo die Mörsergranaten
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